Von Petuschki nach Kitzen oder wie

Gut 50 Besucher kam auf die Kulturhausterrasse

Von Moskau nach Kitzen oder von Kitzen nach Petuschki oder wo sind wir oder wohin fahren wir. Manch einem der gut 50 Besucher des Sommertheaters auf der Terrasse des Kitzener Kulturhauses am 23. Juli schwirrte wohl der Kopf. Schließlich war sich selbst der Hauptakteur nicht klar, wo er sich befand. Der Schauspieler Kay Liemann aus Leipzig kam mit dem Ein-Personen-Stück „Die Reise nach Petuschki“ nach Kitzen. Was heißt aber Ein-Personen-Stück. Er hatte Unterstützung, musikalische Begleitung von Philipp Rücker, der Klarinette, Saxophon und Flöte mitgebracht hatte und auch ein schauspielerisches Kabinettstück in der Rolle eines trunken Schaffners ablieferte, der die Strafe für nicht vorhandene Fahrkarten in Gramm Alkohol kassierte.

Kay Liemann alias Wenja Jerofejew

Wenedikt „Wenja“ Jerofejew will vom Kursker Bahnhof in Moskau zu seiner Geliebten ins zwei Zugstunden entfernte Petuschki fahren. Sein Reisegepäck: ein Köfferchen voll Wodka. Im zunehmenden Rausch reflektiert er sein Leben im Sozialismus der Sowjetunion der 1960er Jahre. Ob das nun zwangsläufig in den Alkoholismus führen musste, das sei einmal dahingestellt. Aber weiß man etwas um die Person des Autors, der eben Wenedikt Jerofejew (1938 – 1990) ist, der wegen seines nicht dem Sozialismus angepassten Verhaltens keinen Fuß in der sowjetischen Gesellschaft fassen konnte, ahnt man zumindest, warum Leben, speziell seins, im Alkoholismus enden kann.

Philipp Rücker

So urkomisch Wenjas Monologe im Rausch sind, so traurig sind sie. Die gesanglichen Zwischenstücke heiterten allerdings immer wieder auf. Ob es des zusätzlichen Wodka-Ausschanks bedurft hätte, darf jeder für sich selbst entscheiden.

Im Laufe des Stücks, das eigentlich ein Roman oder nach russischer Interpretation ein Poem ist, wird immer unklarer, wo sich Wenja gerade befindet: in Petuschki, auf einer Unterwegsstation, schon wieder in Moskau. Oder ist gar nicht erst losgefahren vom Kursker Bahnhof. Genauso wenig klar ist am Ende des Stücks, ob er wirklich oder nur in seiner Alkoholfantasie gemeuchelt wird, ob sich lediglich sein Bewusstsein für immer verabschiedet. In Kitzen war er jedenfalls, das haben gut 50 Zeugen gesehen.

Das Publikum wurde mit einbezogen.

Jerofejews Buch erschien übrigens in den 1970er Jahren erstmals in Israel und in einer französischen Ausgabe. In der Sowjetunion wurde es laut Wikipedia erstmals 1988 gedruckt.

Kay Liemann, der aufgrund seines Alters den real existierenden Sozialismus der DDR oder der Sowjetunion nicht erlebt hat, fand den Stoff dennoch faszinierend. „Mein Professor hat mir das Buch geschenkt und ich war sofort begeistert“, sagte er nach der Veranstaltung. Ob es allen Gästen des Abends ebenso ging? Die einen sagen so, die anderen sagen so.

FC Liverpool in Kitzen

Gospel Changes in der Kitzener Kirche.

Halleluja! Der Ausruf des Jubels nach der Fastenzeit, wenn eben wieder gejubelt wird in der Kirche – das gehört ins Repertoire eines Gospel-Chores. Des Jubels wegen, aber weil es vielleicht der älteste Song der Menschheitsgeschichte ist. Das Halleluja wird seit 2000 Jahren gesungen. Der kanadischen Sänger und Songwriter Leonard Cohen (1934 – 2016) hat 1984 eine legendäre Version herausgebracht, für die er in zwei Jahren mehr als 80 Strophen geschrieben haben soll, wie auf der Internetseite evangelisch.de nachzulesen ist. Sechs davon enthält die Songfassung, die in der Regel auf seinen Alben auftaucht. Einige davon, aber auch andere hat der Leipziger Chor Gospel Changes in sein Programm aufgenommen, mit dem er gut anderthalb Stunden lang das Publikum am 22. Mai in der Kitzener Kirche begeisterte. Was als einer der bekanntesten Titel der Worldmusic in die Musikgeschichte eingegangen ist, lässt sich eben auch gut für ein Gospelkonzert adaptieren. Schließlich gibt es seit der Erstveröffentlichung 1984 ohnehin mehr als 100 Coverversionen.

Chorleiter Maik Gosdzinski

Aber nicht allein damit löste Gospel Changes Beifallsstürme aus, die letztlich in Standing Ovations mündeten. Bereits zweimal war der Chor in den vergangen Jahren in Kitzen zu Gast und bewies da schon und erst recht beim dritten Mal seine Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit. Auch wenn der Klangkörper aktuell mit einer etwas kleineren Besetzung auftrat als zum Beispiel 2018 bei seinem davor liegenden Gastspiel in Kitzen, tat das weder der Klangfülle noch der Begeisterung im Publikum Abbruch. „Wir haben einerseits viele Auftritte zu bestreiten, andererseits können es auch nicht immer alle Sängerinnen und Sänger zeitlich einrichten“, begründete Chorleiter Maik Gosdzinski den höchstens optisch ins Auge fallenden Personalengpass.

Therese Galetzka (r.) gehört zur Chorleitung und zu den herausragenden Stimmen im Chor.

War das musikalische Angebot ohnehin fesselnd, so ließ der Chor einige Male zusätzlich aufhorchen. Urplötzlich fühlte sich das Publikum ins Fußballstadion versetzt. „You´ll never walk alone“ singen die Fans des englischen Erstligisten FC Liverpool (mittlerweile auch von andere Fußballklubs) nicht nur bei den Heimspielen des englischen Vizemeisters. „You´ll never walk alone“ (Du wirst nie allein gehen), das aus dem Musical „Carousel“ stammt, ließ Gospel Changes eben auch in einer für einen Gospelchor adaptierten Version erklingen und manch einer im Publikum sang oder summte mit. Anleihe für sein Konzertprogramm nahm der Chor genauso beim US-amerikanischen Rockstar Bruce Springsteen, der den Song „O Mary don´t you weep“ (Oh Mary weine nicht) 2006 berühmt gemacht hat und den zuvor auch schon unter anderen Pete Seeger und Nat King Cole gesungen hatten.

Am Schluss stand das Publikum, erklatschte sich Zugaben, so dass der bezaubernde Nachmittag nicht nach einer guten Stunde wie geplant endete, sondern 100 Minuten dauerte.

Wie lieblich ist der Maien

Der Leipziger Kammerchor in der Kirche Kitzen.

Mit einem Frühlingskonzert unter dem Motto „Wie lieblich ist der Maien“ wartete der renommierte Leipziger Kammerchor am 1. Mai in der Kirche Kitzen auf. Der Feiertag, der dieses Jahr auf einen Sonntag fiel, war auch der Tag, an dem die traditionelle Radpartie des Siedlervereins Kitzen stattfand und es um die Mittagszeit Hochbetrieb im Gasthof Thesau gab, wobei sich die künftigen Betreiber vorstellten. Dennoch war die Kirche zum nachmittäglichen Konzert gut gefüllt. Der Kammerchor erfreute die Besucher mit einem reichhaltigen musikalischen Angebot. Das reichte von Volksliedern wie „Es klappert die Mühle“, bei denen jeder mitsingen konnte, bis hin zu Liedern Robert Schumanns „So sei gegrüßt viel tausendmal“ oder Claudio Monteverdis „Non giacinti o narcisi“ (Keine Hyazinthen oder Narzissen), bei denen verzückt gelauscht wurde. Dazu kamen Frühlingslieder aus Frankreich, Schweden oder den USA. Das Thema des Konzerts kam in Form des mehr als 400 Jahre alten Liedes „Wie lieblich ist der Maien“ von Johann Steuerlein (1546 – 1616), wofür Martin Behm 1604 den Text verfasst hatte, natürlich auch zu Gehör. Für die Konzertbesucher blieb das Fazit, es hat sich wieder gelohnt, das kulturelle Angebot des Fördervereins Sankt Nikolai Kitzen auch an einem Tag mit vielen anderen Veranstaltungen anzunehmen.

Schöne Stimmen erfüllten den Konzertraum.

Ingrid Riedel, die Vorsitzende des Fördervereins, vearbschiedete den Chor mit einem Blumenstrauß an Chorleiter Georg Mogwitz.

Kein Tacet in munterer Runde

Wolfgang Rögner

Tacet – ein Begriff aus der Musik – bedeutet schweigen. Wolfgang Rögner nannte sein Büchlein so, das er vor einigen Jahren in einer, wie er sagt, kleinen selbst genommenen Auszeit geschrieben hat. Geschwiegen wird darin allerdings nicht. Ganz im Gegenteil, der Dirigent verschiedener Klangkörper und aktuelle Intendant des Leipziger Symphonie Orchesters (LSO) erzählt launige, manchmal auch nachdenklich machende Geschichte aus seinem Leben, aus dem Leben eines Kapellmeisters eben.

Eigentlich habe er das Büchlein mehr für sich selbst geschrieben, erzählt er bei einer Lesung im März zum Auftakt des Kulturjahres im Förderverein Kirche St. Nikolai im Kitzener Kulturhaus. Letztlich aber auch dank einer Bekanntschaft mit dem ehemaligen, mittlerweile gestorbenen künstlerischen Leiter der Porzellanmanufaktur Meißen, Christian Schöppler, der das Büchlein illustrierte, fand „Tacet“ den Weg an die Öffentlichkeit. Und das ist erfreulich.

Dem 1951 in Thüringen geborenen Rögner, Mutter Chorsängerin und Vater Musiklehrer, war die Musik nahe und das Musikstudium folgerichtig. Nach Abschluss des von ihm gewählten Dirigentenstudiums führte ihn der Weg durch zahlreiche Theater, Opernhäuser und Konzertsäle, unter anderem einige Jahre nach den Niederlanden, für gelernte DDR-Bürger alles andere als gewöhnlich.

So hat er schließlich einen enormen Fundus an Erinnerungen zu diversen Anekdoten geformt, garnierte sie mit seinen Lieblings-Kochrezepten sowie mit Gedichten, die er mag. Knapp eine Stunde lang las und erzählte er vor einem gut gelaunten Publikum. Am besten amüsierte es sich über die Theatergeschichten. Zum Beispiel über dieser jenes Sängers am Plauener Theater, der während der Aufführung und seines Gesangs an einer Hochzeitstafel von Mitstreitern darauf aufmerksam gemacht wird, dass seine Hose offen ist. Ohne seinen Gesangspart zu unterbrechen, geht er hinter der Tafel ein wenig in die Knie und schließt fürs Publikum verdeckt die Hose. Was der Sänger nicht bemerkt, er hat das Tafeltuch mit eingeklemmt. Mit dem Ende des Liedes schreibt das Drehbuch seinen Abgang von der Bühne vor. Er geht und reißt die Tischdecke mit sich.

Gut gelaunt verfolgte das Publikum im Kitzener Kulturhaus die Lesung.

Wer noch mehr Geschichten kennenlernen will, dem ist das Büchlein zu empfehlen.

Rögner war nicht zum ersten Mal in Kitzen. Zweimal bereits kam er zu Konzerten mit dem LSO in die Kirche und führte jeweils launig durchs Programm. Wenn das Orchester am 19. Juni 2022 zum dritten Mal in Kitzen aufspielt, wird man ihn vermutlich ein weiteres Mal mit begrüßen können.

Eine musikalische Reise

Michael Schönheit und Gotthold Schwarz in der Kirche Kitzen.

Einmal quer durch Deutschland, die Schweiz und Österreich. Diese musikalische Reise unternehmen Gotthold Schwarz und Michael Schönheit seit gut einem Jahr. Der Bassbariton und der Organist beziehungsweise Pianist haben sich zu dem Ausflug entschieden, um einen eigenen Beitrag zum Beethoven-Jahr zu kreieren, das anlässlich dessen 250. Geburtstag 2020 stattfand. Was sie sich ausgedacht und mittlerweile umgesetzt haben, ist dazu einem Dichter gewidmet, der zu den meistgelesenen Schriftstellern seiner Zeit zählte: dem in Hainichen geborenen aber vor allem in Leipzig aktiven gewesenen Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769). Mit ihrem Programm gastierten Schwarz und Schönheit im November in der Kitzener Kirche und erfreuten an die hundert Besucher. Wie Schönheit sagte, haben die beiden Musiker bei der Zusammenstellung ihres Programms entdeckt, dass Gellerts Texte, meist christlichen Charakters, von einer Vielzahl von Komponisten vertont worden sind. So führte die Reise mit Christian Fürchtegott Gellerts Texten aus Leipzig von den Leipziger Komponisten Johann Friedrich Doles und Johann Adam Hiller zu den beiden Hamburgern Carl Philipp Emanuel Bach und Knut Lambo. Weiter ging es zum Biberacher Kirchenmusiker Justin Heinrich Knecht und zum schweizerischen Tonkünstler und Chorleiter Johannes Schmidlin, um bei Ludwig van Beethoven in Wien zu enden. Während Bach (1714 – 1788), Lambo (1714 – 1783), Doles (1715 – 1797), Hiller (1728 – 1804) und Schmidlin (1722 – 1772) zu den unmittelbaren Zeitgenossen Gellerts gehörten, zeigen Knechts (1752 – 1817) und Beethovens (1770 – 1827) Vertonungen, dass sie auch nach Gellerts Tod von seinen Texten angetan waren.

Gotthold Schwarz (Jahrgang 1952) war von 2016 bis 2021 Thomaskantor Leipzig, hatte sich aber bereits zuvor einen Namen als Sänger gemacht. Michael Schönheit (Jahrgang 1961) ist in Leipzig seit 1986 Gewandhausorganist und seit 1996 Domorganist in Merseburg. Bemerkenswert: Schönheit begleitete Schwarz an einem Hammerflügel, der bereits 1805 von der Firma John Broadwood & Sons in London gebaut und in einer Leipziger Werkstatt restauriert wurde. Ein Flügel von denselben Erbauern befand sich auch im Besitz Beethovens.

Michael Schönheit am mehr als 200 Jahre alten Hammerflügel.
Gotthold Schwarz überzeugte mit seiner Stimme

Hinter den Kulissen

Seit nunmehr zwei Jahren verfolgt uns die Corona-Pandemie mit all ihren Nebenerscheinungen. Dennoch hat der Förderverein der Kreuzkirche Sankt Nikolai Kitzen nichts unversucht gelassen, um sein Veranstaltungsprogramm aufrechtzuerhalten. Nach einer mehr als siebenmonatigen Zwangspause war es am 30. Mai 2021 so weit, dass wieder Konzerte stattfinden konnten. Immerhin gelang es, sechs Konzerte und eine Lesung zu organisieren.

Am Kuchenbüfett.

Dabei haben die Veranstalter viel zusätzliche Arbeit in Kauf genommen, um die Hygienekonzepte zu erarbeiten und bei den Konzerten durchzusetzen. Das bedeutete zugleich einen höheren personellen Aufwand, zum Beispiel für die Kontrolle der Impf- oder Testnachweise der Konzertbesucher sowie die den Hygienekonzepten entsprechende Platzierung der Gäste. Mit Partnern wurden bei verschiedenen Veranstaltungen sogar Teststationen eingerichtet. Nicht zuletzt gelang es, dank vieler Freiwilliger die Versorgung der Besucher mit Kaffee und Kuchen oder einem Gläschen Wein aufrechtzuerhalten.

Beim Getränkeausschank.

Auch wenn im Moment wegen der Pandemielage die Veranstaltungen wieder einmal gestoppt werden mussten, so kann man den Unterstützern der Kitzener Kultursonntage nur ein großes Dankeschön sagen. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich im kommenden Jahr irgendwann alle wieder zu den Veranstaltungen in der Kirche oder am Kulturhaus treffen können.

Mobile Teststation.

Begeisternde Melodien

Der Johann-Strauss-Chor in Kitzen

Der Radetzky-Marsch geht immer. Obwohl dem österreichisch-kaiserlichen Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz und seinen Schlachten gewidmet, kommt das Werk von 1848 heiter und beschwingt daher. So wundert es nicht, dass es zum Repertoire des Leipziger Johann-Strauss-Chores gehört. Obwohl – ein wenig schon, denn eben dieser Chor ist eigentlich gar nicht nach dem Johann Strauss benannt, der den Radetzky-Marsch komponiert hat, denn das war Johann Strauss (Vater). Benannt hat sich der Chor dagegen nach Johann Strauss (Sohn), dem Walzerkönig. Aber auf diesen Komponisten hat sich das Ensemble auch nicht festgelegt.

Von den Beleuchtern wurde der Chor bestens in Szene gesetzt.

Als der Chor im Oktober auf Einladung des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai Kitzen in der Kirche auftrat, begeisterte er das Publikum mit einer bunten Mischung aus mehr als einem Jahrhundert Musikgeschichte. Neben den Melodien der beiden Strauss erklangen Kompositionen von Robert Stolz, Jacques Offenbach, Dmitri Schostakowitsch oder Paul Linke und Eduardo Di Capua. Letzterer hat 1898 mit O sole mio einen Ohrwurm komponiert, den Konzertbesucher auch mehr als 120 Jahre später eben noch mitsingen oder wenigstens mitsummen. Wohl auch deshalb, weil so viele Sänger ihn im Laufe eines guten Jahrhunderts interpretiert haben: Enrico Caruso ebenso wie Joseph Schmidt, Mario Lanza wie Placido Domingo, Jose Carreras wie Luciano Pavarotti und und und. Zur Berühmtheit des Titels hat auch Elvis Presley mit seiner Version „It´s now or never“ beigetragen, ebenso Peter Beil mit „Ich kommen wieder in einem Jahr“. Bill Haley hat das Lied aufgenommen oder auch Max Raabe mit seinem Palast Orchester.

Hier noch ein paar Bild-Impressionen vom Konzert.

„Kannen“ voll Musik

Die Sax´n bei ihrem Auftritt, Mitte René Scipio an den Percussions

Da waren sie also wieder mittendrin im Geschehen und in der Musik. Zum Auftakt des Konzerts am letzten August-Sonntag anno 2021 passte daher der aktuelle Udo-Lindenberg-Hit „Mittendrin“ perfekt ins Bild oder eben auch ins Ohr. Zum zweiten Mal sind die „Die Sax´n“ nach Kitzen gekommen, um mit ihren „Kannen“ ein Füllhorn mit Musik über dem Publikum auszugießen. 110 Besucher, also praktisch ausverkauftes Haus unter den noch immer zu beherzigenden Corona-Bedingungen, wollten es sich nicht entgehen lassen, was die drei jungen Damen und zwei Herren mit Saxophonen und Percussions an Melodien umzusetzen hatten.

Corinna Stieler am Bariton-Saxophon

Isabell Rose mit dem Alt-Saxophon

Luci Lux (Tenor-Saxophon) und Jan Grepling (Sopran-Saxophon)

Das Konzert war wegen der Witterung kurzfristig von den Kulturhaus-Terrassen in die Kirche verlegt worden. Nach anderthalb Jahren des Pausierens freuten sich auch die Musikerinnen und Musiker, wieder mittendrin im Geschehen zu sein. Das machte René Scipio deutlich, der nicht nur an den Percussions den Rhythmus vorgab, sondern auch gut gelaunt und launig durchs Programm führte.

Isabell Rose und Corinna Stieler

Und wer Scipio heißt, kommt nicht drumherum, an seinen „Vorfahren“ zu erinnern. Publius Cornelius Scipio Africanus war jener römische Feldherr, der seine Legionen vor mehr als 2000 Jahren im zweiten Punischen Krieg in der Schlacht von Zama zum Sieg über Hannibals Karthager führte und damit die ruhmreiche Geschichte Karthagos dem Untergang entgegenführte.

Aber es ging ja um Musik, nicht um Geschichte. Was aus den Saxophonen, eben den Kannen, herauszuholen war, das loteten die Bläserinnen und Bläser tief aus. Isabell Rose am Alt-Saxophon, Corinna Stieler am Bariton-Saxophon, Luci Lux am Tenor-Saxophon und Jan Grepling am Sopran-Saxophon interpretierten bekannte Hits aus den vergangen gut 35 Jahren. Darunter die Titelmusik aus dem Film Dirty Dancing „The Time of my Life“, die 1987 entstanden ist. Oder auch den Queen-Hit „Friends will be friends“, der nur ein, zwei Jahre älter ist und vom unvergessenen Freddie Mercury gesungen wurde. Deutlich jüngeren Datums war der Hit von Andreas Bourani „Auf uns“, der 2014 unter anderem zum Ohrwurm wurde, weil er die ARD-Berichterstattung von der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Rio de Janeiro begleitete, die bekanntlich mit dem vierten Weltmeistertitel für die deutsche Mannschaft endete.

Gut besucht war die Kirche beim Konzert.

Bestens umgesetzt haben „Die Sax´n“ auch das Helene-Fischer-Lied „Atemlos“, das die Sängerin ein Jahr vor dem Fußball-Hit Bouranis herausbrachte. Titel von Abba, Earth, Wind and Fire und Ed Sheeran und anderen kamen ebenso gut rüber. Kurzum, alles Stücke, deren Ankündigung schon mit Ah und Oh im Publikum kommentiert wurden. Logisch, dass nach zwei Stunden, die Interpretinnen und Interpreten nicht ohne Zugabe entlassen wurden. Der langanhaltende Beifall machte zugleich Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit den Sax´n deutlich.

Ohne Zugabe kamen die Musikerinnen und Musiker nicht von der Bühne.

Von Steiger bis Holzmichl

Peter Kreißl (l.) und Andreas Tiede als „De Hutzenbossen“

Wollen die wirklich schon Schluss machen, fragt sich mancher im Publikum nach dem 90-minütigen Auftritt der Band „De Hutzenbossen“ am letzten Juli-Samstag 2021? Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel bringt es auf den Punkt, als sie sich als Gastgeberin des Abends von Peter Kreißl kurz das Mikrofon leiht. „Da fehlt doch noch was?“ fragt sie an die Musiker gewandt. Was denn mit dem Holzmichl sei? Ob er denn noch lebe? „Wir haben es befürchtet, dass die Frage kommt“, entgegnet Kreißl laut lachend und stimmt mit Andreas Tiede das alte Volkslied an, dass die Band „De Randfichten“ in Deutschland berühmt gemacht hat. Und das Publikum auf der Terrasse vom Kitzener Kulturhaus stimmt lauthals ein in den Refrain, der erleichtert deklamiert „Er lebt noch, er lebt noch, stirbt nicht“. Die Zeile steht gleichsam für dieses spezielle musikalische Genre. Damit geht dann aber doch der Abend mit der erzgebirgischen Volksmusikgruppe „De Hutzenbossen“ zu Ende, der mit dem nicht weniger berühmte „Steigerlied“ begonnen hatte.

Dazwischen gab es jede Menge erzgebirgische Lieder, bei denen die mehr als 50 Besucherinnen und Besucher mitsangen und mitschunkelten. Auch im Flachland der Leipziger Tieflandsbucht schaffen es „De Hutzenbossen“, ihr Publikum einzufangen. Der Altersdurchschnitt der Zuhörinnen und Zuhörer ist nicht eben niedrig, da kommen auch die alten Schlager wie „Hello Mary Loo“ (Rickey Nelson 1960), „Rote Lippen soll man küssen“ (die älteste Version geht auf Ruth Brown 1957 zurück) oder „Marina, Marina“ (Rocco Granata 1959) in einem Medley bestens an. Kreißl und Tiede mischen noch „Bergvagabunden“ und „Sierra Madre“ ein, bei denen man so schön mitsingen kann.

Das Publikum ist begeistert.

Am Ende des Abends sind sich alle einig, dass sie ihren Spaß gehabt haben. Wohl auch deshalb, weil „De Hutzenbossen“ nicht nur von der Bühne, die in dem Fall die Stufen zum Kulturhaus sind, agieren, sondern auf ihr Publikum zugehen, es einbeziehen, auch einmal niederknien, über Tische und Bänke gehen und somit zeigen, dass sie selbst Freude an dem haben, was sie da 200- bis 300-mal im Jahr mit Gitarre, Trompete, Steirischer Harmonika und Stimme tun.

Privileg für Kitzen

Das Leipziger Symphonieorchester in der Kirche Sankt Nikolai.

Nach dem Auftritt von Mila Thieme, die nach langer Durststrecke wegen der Corona-Pandemie Ende Mai in die Kitzener Kirche kam, gab es Mitte Juni bereits das zweite Konzert des Jahres. Das Leipziger Symphonieorchester (LSO) lud zu „Chanson de nuit“ (Nachtlied) ein. Für das Publikum in Kitzen war das am Abend des 19. Juni ein doppeltes Privileg. Wie Orchester-Intendant Wolfgang Rögner sagte, war es überhaupt das erste Konzert, dass das LSO in diesem Jahr geben konnten. Und zweites kam der Klangkörper mit nahezu voller Kapelle. „Wir haben 25 feste Ensemble-Mitglieder, können aber auch beliebig mit Gastmusikern erweitern“, erklärte Rögner. Mit 21 Musikern war das Orchester nach Kitzen also fast komplett gekommen. Mehr hätten aus Platzgründen auch gar nicht in die Kirche gepasst.

Annika Paulick überzeugte mit ihrem Sopran.

Der Abend, die Nacht samt Mond und der erwachende Morgen haben von jeher Komponisten inspiriert. Und so konnten Dirigent Andreas Mitschke und das Orchester das Publikum mitnehmen auf eine musikalische Reise mit Stücken von Komponisten aus zwei Jahrhunderten. Das gelang umso eindrucksvoller mit der Stimme der Sopranistin Anika Paulick. Den Auftakt gab das Orchester mit der Ouvertüre aus der Oper „Il mondo della Luna“ (Die Welt auf dem Mond) von Joseph Haydn (1732 – 1809). Franz Schuberts (1797 – 1828) Lied „An den Mond“ interpretierte dann Anika Paulick, die auf der Kanzel in der Kirche einen wunderbaren Platz gleich über dem Orchester gefunden hatte.

Andreas Mitschke am Dirigentenpult.

Dem „Nachtlied“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847) ging noch das Lied  „Nachtwanderer“ seiner Schwester Fanny Mendelssohn-Hensel (1805 – 1847) voraus, ehe sich das Orchester um einen englischen Musiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts kümmerte. Von Edward Elgar (1857 – 1934) erklangen das „Chanson de nuit“ – sozusagen der Titelgeber fürs Konzert – und das „Chanson du matin“. „Sie können für sich selbst entscheiden, ob Ihnen die Nacht oder der Morgen besser gefällt“, sagte Intendant Rögner. Dem Publikum in der gut besetzten Kirche blieb die Wahl erspart – denn es war beides ausnehmend schön. Ebenso das später noch folgende „Salut d’amour“ von Elgar. Dazwischen platzierten die Musiker einen anderen Morgen mit Haydns Sinfonie Nr. 6 „Le matin“.

Gut besucht war das Konzert.

Sozusagen als Kontrapunkt zur eingangs gespielten Welt des Mondes von Haydn setzten die Musiker anschließend das Reich des Mondes mit „Il regno della Luna“ von Niccolò Piccinni (1728 – 1800), ein Zeitgenosse von Haydn. Einen bemerkenswerten Abschluss gab es mit dem „Lied an den Mond“ aus der märchenhaften, romantischen und tragischen Oper „Rusalka“ von Antonin Dvorak. Anika Paulicks Stimme verzauberte die Besucher, die sich mit enthusiastischem Beifall bedankten und sich gleich noch eine Zugabe erarbeiteten. Über ein Wiedersehen mit den Leipziger Symphoniker würden sich gewiss alle freuen.

Viel Beifall gab es am Ende.

Randnotiz: Als am 27. Juni 2010 ein Konzert in der Kirche stattfand, kollidierte die Veranstaltung mit der zeitgleichen Übertragung des Fußballspiels Deutschland gegen England bei der Weltmeisterschaft in Südafrika (Achtelfinale – 4:1). Die Besuchersitze beim Konzert waren daher nur spärlich besetzt. An diesem 19. Juni 2021 spielte zeitgleich Deutschland gegen Portugal bei der Fußball-Europameisterschaft (Gruppenspiel – 4:2). Das Konzert des Leipziger Symphonieorchester war trotzdem gut besucht. Was sagt uns das? Entweder sind wir weniger fußballaffin geworden oder die Pandemie hat uns kulturversessener gemacht. Wie auch immer, beim nächsten Konzert am 31. Juli ist die Fußball-EM bereits Geschichte.