Gerlinde Wippert ausgezeichnet

Landrat Henry Graichen übergibt den Preis an Gerlinde Wippert.

Mit dem Ehrenamtspreis des Landkreises Leipzig ist am Freitag, 19. Januar 2024, Gerlinde Wippert ausgezeichnet worden. Vorgeschlagen hatte das der Förderverein der Kirche Sankt Nikolai Kitzen. Damit ist die Kitzenerin eine von sechs Personen, die beim Neujahrsempfang des Landkreises im Markkleeberger Rathaus für ihr ehrenamtliches Engagement im Jahr 2023 geehrt wurden.

Gerlinde Wippert (M.) mit Laudatorin Ingrid Riedel und Landrat Henry Graichen.

Aber was heißt für 2023? Das ist schließlich nur eins in einer ganzen Reihe von Jahren, in denen Gerlinde Wippert für andere aktiv gewesen ist. Neben ihrem beruflichen Einsatz als Altenbetreuerin in einem Pflegeheim, das sei noch angemerkt. Genau darauf machte Ingrid Riedel, die Vorsitzende des Fördervereins, in der Laudatio auf Gerlinde Wippert aufmerksam. „Seit 2008 leitet sie eine Frauen-Gymnastikgruppe, die sich wöchentlich trifft“, sagte Ingrid Riedel. „Gerlinde ist immer da“, weil sie nicht wie die eine oder andere Kursteilnehmerin dem inneren Schweinehund nachgeben und einfach mal nicht kommen könne. Da zu sein, sei aber nur eine Sache. Um in dem Sinne da sein zu können, muss sie regelmäßig Lehrgänge besuchen, um ihre Lizenz als Übungsleiterin zu erneuern.

Musikalisch umrahmt wurden Empfang und Preisverleihungen von Schülerinnen und Schülern der Musik- und Kunstschule Landkreis Leipzig mit einem großartigen Percussion-Programm.

Aber nicht nur beim Sport ist sie da. Als bereits 2005 der Seniorenclub in Kitzen ins Leben gerufen wurde, war sie sofort mit helfenden Händen dabei. Besonders würdigte Ingrid Riedel den Einsatz von Gerlinde Wippert in den Zeiten der Corona-Pandemie. Sie habe Kontakt zu den Senioren gehalten, den ein oder anderen zum Arzt gefahren, Einkäufe erledigt oder „sich auch einmal die Lebensgeschichte einsamer Menschen angehört“.

Wer regelmäßiger Besucher der Kulturveranstaltungen des Fördervereins ist, wird Gerlinde Wippert erst recht kennen. Ist sie es doch, die die Kuchentafel vor den Veranstaltungen organisiert, mit anderen zusammen Kaffee und Kuchen verkauft, abwäscht und saubermacht.

Die Runde der diesjährigen Preisträger mit dem Landrat (l.): (von rechts) Helmut Kuppke von der Freiwilligen Feuerwehr Thräna, Stellvertreterin für Mike Majetschak vom FSV Eintracht Serbitz/Thräna, Gerlinde Wippert, Kai Ludwig vom SV Groitzsch, Viola Heß vom Ringelnatzverein Wurzen sowie Elke Sinn vom Verein zum Wohle der Tiere in Lossa..

Übrigens: Gerlinde Wippert sollte mit der Auszeichnung überrascht werden. Gemeinsam mit ihrem Mann wurde ein Plan geschmiedet. Sie sei zu einer Kabarettveranstaltung eingeladen, hieß es. Und noch bei Betreten des Lindensaals im Markkleeberger Rathaus glaubte sie daran, wie sie am Abend sagte. Erst als sie auf ihrem Sitzplatz das Faltblatt mit dem Programm für den Neujahrsempfang fand, habe ihr geschwant, dass es womöglich gar nicht um Kabarett gehen könnte.

Stimmgewaltige Operettengala

Anne Wegele überzeugte sowohl bei der Arie des Prinzen Orlowsky aus der Fledermaus als auch bei ihrer Kurt-Weill-Interpretation.

Noch fühlt es sich an, wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Der Unterschied: 363 Euro verdunsten nicht einfach. Sie fließen in die Kasse für die Sanierung und den Wiedereinbau der Orgel in der Kirche Sankt Nikolai Kitzen. Rund 75000 Euro wird es kosten, die Orgel wieder erklingen zu lassen. 50000 Euro davon hat die Kirchengemeinde, die für das Projekt verantwortlich zeichnet, bereits vom Freistaat Sachsen als Förderung zugesagt bekommen. Der Rest muss über Spenden aufgetrieben werden.

Zahlreiche Konzertbesucher fanden den Weg in die Kirche Sankt Nikolai

Die besagten 363 Euro sind der Reinerlös aus den Einnahmen für die Herbstgala der Hochschule für Theater und Musik Leipzig, die Studierende am 22. Oktober in der Kirche beim Kultursonntag des Fördervereins vortrugen. Die Mitglieder der Gesangsklasse von Professorin Ilse-Christine Otto zeigten sich gut geschult, glänzten mit bekannten Operettenmelodien sowie mit einigen mehr oder weniger bekannten Chansons. Begleitet wurden sie am Klavier von Professor Hartmut Hudezeck, der auch für die Einstudierungen gesorgt hatte und sich zudem als kabarettistischer Interpret von Liedern Georg Kreislers (1922 bis 2011) entpuppte. Mit „Eine kleine Gutenachtmusik“, basierend auf der mozartschen Melodie der „Kleinen Nachtmusik“, beschrieb er Eindrücke eines Konzertbesuchs und löste beim Publikum in der gut besuchten Kirche jede Menge Heiterkeit aus.

Bruno Szabo bei seinem Auftritt mit dem Chanson „Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein“

Dafür sorgten auch die jungen Sängerinnen und Sänger mit Liedern aus Johann Strauß` „Die Fledermaus“, Paul Abrahams „Viktoria und ihr Husar“ oder Carl Zellers „Der Vogelhändler“, Franz Lehars „Paganini“ und „Die lustige Witwe“. Zudem gab es Chansons wie „Der Abschiedsbrief“ von Kurt Weill, „Aloisi“ von Hermann Leopoldi oder „Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein“ von Kurt Schwabach.

Mit ihren wunderbaren Stimmen begeisterten die jungen Künstlerinnen und Künstler nicht nur bei ihren Soloauftritten, sondern ebenso als Ensemble.

Auch als Ensemble gaben die Studierenden alles
Leonie Herzog verteilte als Christel von der Post erst einmal „Post“, ehe sie die bekannte Arie aus „Der Vogelhändler“ sang
Markus Haase besang das ungarische Mädel aus „Viktoria und ihr Husar“
Verena Flitsch zeigte sich im Chanson-Fach zu Hause
Hartmut Hudezeck begleitete die Gesangsbeiträge und zeigte sich als kabarettistischer Sänger
„Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“ sang Felicia Brembeck
Fridolin Wissemann mit dem Lied des Paganini „Gern hab´ ich die Frau´n geküsst“
Johanna Ihring bei der Arie „Liebe, du Himmel auf Erden“ aus Paganini

Bundesverdienstkreuz für Ingrid Riedel

Ingrid Riedel präsentiert ihre Auszeichnung.

Kitzen hat seit Sonnabend, dem 22. April 2023, eine Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer überreichte die Auszeichnung im Namen des Bundespräsidenten an Dr. Ingrid Riedel. Damit wird das Engagement der Vorsitzenden des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai gebührend gewürdigt.

Ingrid Riedel, die mit ihrem Mann Siegwald Bilesch 1996 nach Kitzen gezogen ist, zeichnet nicht nur für die Sanierung der Kirche verantwortlich, sondern initiierte und initiiert parallel jedes Jahr ein Dutzend Kulturveranstaltungen und engagiert sich bei der Seniorenbetreuung sowie bei den Landfrauen.

Auch wenn Sie einigermaßen sprachlos war, als sie die Einladung zur Ehrung in der Dresdner Staatskanzlei erhielt – dass sie sich diese Auszeichnung redlich verdient hat, steht außer Frage. Ohne ihren Einsatz und den von Siegwald Bilesch stünde die Kirche heute vermutlich weder für Gottesdienste noch für die Vielzahl kultureller Veranstaltung zur Verfügung.

Nach der Auszeichnung in der sächsischen Staatskanzlei: Ingrid Riedel (3.v.l.) und Siegewald Bilesch (2.v.l.) im Kreise von Familienmitgliedern sowie Ministerpräsident Michael Kretschmer (4.v.l.) und Pegaus Bürgermeister Frank Rösel (4.v.r.). Foto: Privat

„Nachdem wir in Kitzen gebaut hatten und eingezogen waren, stand für uns fest, dass wir uns im Ort ehrenamtlich einbringen wollen, wenn wir mal weniger Arbeit haben“, erinnert sich Ingrid Riedel. Einen konkreten Zeitpunkt dafür hatte sie damals aber noch nicht ins Auge gefasst. Der sollte schneller kommen als gedacht, noch bevor sie und ihr Mann wirklich weniger Arbeit im Beruf hatten. „Wir waren 2007 in der Kirche und ziemlich erschrocken und entsetzt über den damaligen baulichen Zustand. Da wir noch kein Projekt für unser geplantes Ehrenamt hatten, entstand die Idee, dass wir uns der Kirche annehmen könnten“, erzählt Ingrid Riedel.

Das war genau zu dem Zeitpunkt, als seitens des Bauordnungsamtes eine Begehung der Kirche geplant war, die mit Sicherheit zu einer Schließung des Gotteshauses wegen Baufälligkeit geführt hätte. „Wir wurden von der Kirchgemeinde gebeten, an der Begehung teilzunehmen und haben das auch getan.“ Die Absicht des Ehepaars, sich der Kirche anzunehmen, verhinderte die Schließung.

Es sollten aber noch einmal drei Jahre vergehen, ehe mit der Sanierung begonnen werden konnte. „Wir hatten ja mit einem solchen Projekt keinerlei Erfahrung.“ Nach und nach gab es jede Menge Erkenntnisgewinne: dass man einen Verein braucht; wie man an Spenden kommt; dass Eigenkapital benötigt wird und wie das zusammenkommen kann (unter anderem aus Einnahmen aus Kulturveranstaltungen und privaten Spenden). Eine der größten Hürden war seinerzeit, dass der Verein aus Sicht des Freistaates Sachsen, der die damals eigentümerlose Kirche in seinem Bestand führte, nicht der neue Eigentümer werden konnte. Aber ohne den Besitz der Kirche, war es aussichtslos Fördermittel zu bekommen. Die rettende Idee war die Gründung einer Stiftung, für die der Verein als Treuhänder fungieren konnte.

Nun, 13 Jahre später, präsentiert sich die Kirche in einem ausgezeichneten Zustand. Und die Sanierung des Turms als Abschluss des Gesamtvorhabens hat begonnen. Die Kirche dient wieder ihrem eigentlichen Zweck und als Ort vieler kultureller Veranstaltung. Damit ist sie zu einer Begegnungsstätte im Ort geworden, in der Menschen aus Kitzen und der Umgebung zusammenkommen, unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht.

Allerdings hat auch die Sanierung dazu beigetragen, dass viele Menschen näher zusammengerückt sind. Einerseits ist das der „harte Kern“ im Verein und seinem unmittelbaren Umfeld. Rund 100 Frauen und Männer sind regelmäßig dabei und unterstützen sowohl die Sanierungsarbeiten als auch die Gestaltung der Kultursonntage (oder auch -sonnabende). Die Zahl derjenigen, die entweder direkt mit ihren Spenden und Zustiftungen oder als Besucher der Veranstaltungen mit ihrem Ticketkauf indirekt die Sanierung unterstützen, muss man mittlerweile nach ein paar Tausend rechnen. Auch das ist ein Erfolg, den sich Ingrid Riedel auf die Fahne schreiben kann.

Von Petuschki nach Kitzen oder wie

Gut 50 Besucher kam auf die Kulturhausterrasse

Von Moskau nach Kitzen oder von Kitzen nach Petuschki oder wo sind wir oder wohin fahren wir. Manch einem der gut 50 Besucher des Sommertheaters auf der Terrasse des Kitzener Kulturhauses am 23. Juli schwirrte wohl der Kopf. Schließlich war sich selbst der Hauptakteur nicht klar, wo er sich befand. Der Schauspieler Kay Liemann aus Leipzig kam mit dem Ein-Personen-Stück „Die Reise nach Petuschki“ nach Kitzen. Was heißt aber Ein-Personen-Stück. Er hatte Unterstützung, musikalische Begleitung von Philipp Rücker, der Klarinette, Saxophon und Flöte mitgebracht hatte und auch ein schauspielerisches Kabinettstück in der Rolle eines trunken Schaffners ablieferte, der die Strafe für nicht vorhandene Fahrkarten in Gramm Alkohol kassierte.

Kay Liemann alias Wenja Jerofejew

Wenedikt „Wenja“ Jerofejew will vom Kursker Bahnhof in Moskau zu seiner Geliebten ins zwei Zugstunden entfernte Petuschki fahren. Sein Reisegepäck: ein Köfferchen voll Wodka. Im zunehmenden Rausch reflektiert er sein Leben im Sozialismus der Sowjetunion der 1960er Jahre. Ob das nun zwangsläufig in den Alkoholismus führen musste, das sei einmal dahingestellt. Aber weiß man etwas um die Person des Autors, der eben Wenedikt Jerofejew (1938 – 1990) ist, der wegen seines nicht dem Sozialismus angepassten Verhaltens keinen Fuß in der sowjetischen Gesellschaft fassen konnte, ahnt man zumindest, warum Leben, speziell seins, im Alkoholismus enden kann.

Philipp Rücker

So urkomisch Wenjas Monologe im Rausch sind, so traurig sind sie. Die gesanglichen Zwischenstücke heiterten allerdings immer wieder auf. Ob es des zusätzlichen Wodka-Ausschanks bedurft hätte, darf jeder für sich selbst entscheiden.

Im Laufe des Stücks, das eigentlich ein Roman oder nach russischer Interpretation ein Poem ist, wird immer unklarer, wo sich Wenja gerade befindet: in Petuschki, auf einer Unterwegsstation, schon wieder in Moskau. Oder ist gar nicht erst losgefahren vom Kursker Bahnhof. Genauso wenig klar ist am Ende des Stücks, ob er wirklich oder nur in seiner Alkoholfantasie gemeuchelt wird, ob sich lediglich sein Bewusstsein für immer verabschiedet. In Kitzen war er jedenfalls, das haben gut 50 Zeugen gesehen.

Das Publikum wurde mit einbezogen.

Jerofejews Buch erschien übrigens in den 1970er Jahren erstmals in Israel und in einer französischen Ausgabe. In der Sowjetunion wurde es laut Wikipedia erstmals 1988 gedruckt.

Kay Liemann, der aufgrund seines Alters den real existierenden Sozialismus der DDR oder der Sowjetunion nicht erlebt hat, fand den Stoff dennoch faszinierend. „Mein Professor hat mir das Buch geschenkt und ich war sofort begeistert“, sagte er nach der Veranstaltung. Ob es allen Gästen des Abends ebenso ging? Die einen sagen so, die anderen sagen so.

FC Liverpool in Kitzen

Gospel Changes in der Kitzener Kirche.

Halleluja! Der Ausruf des Jubels nach der Fastenzeit, wenn eben wieder gejubelt wird in der Kirche – das gehört ins Repertoire eines Gospel-Chores. Des Jubels wegen, aber weil es vielleicht der älteste Song der Menschheitsgeschichte ist. Das Halleluja wird seit 2000 Jahren gesungen. Der kanadischen Sänger und Songwriter Leonard Cohen (1934 – 2016) hat 1984 eine legendäre Version herausgebracht, für die er in zwei Jahren mehr als 80 Strophen geschrieben haben soll, wie auf der Internetseite evangelisch.de nachzulesen ist. Sechs davon enthält die Songfassung, die in der Regel auf seinen Alben auftaucht. Einige davon, aber auch andere hat der Leipziger Chor Gospel Changes in sein Programm aufgenommen, mit dem er gut anderthalb Stunden lang das Publikum am 22. Mai in der Kitzener Kirche begeisterte. Was als einer der bekanntesten Titel der Worldmusic in die Musikgeschichte eingegangen ist, lässt sich eben auch gut für ein Gospelkonzert adaptieren. Schließlich gibt es seit der Erstveröffentlichung 1984 ohnehin mehr als 100 Coverversionen.

Chorleiter Maik Gosdzinski

Aber nicht allein damit löste Gospel Changes Beifallsstürme aus, die letztlich in Standing Ovations mündeten. Bereits zweimal war der Chor in den vergangen Jahren in Kitzen zu Gast und bewies da schon und erst recht beim dritten Mal seine Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit. Auch wenn der Klangkörper aktuell mit einer etwas kleineren Besetzung auftrat als zum Beispiel 2018 bei seinem davor liegenden Gastspiel in Kitzen, tat das weder der Klangfülle noch der Begeisterung im Publikum Abbruch. „Wir haben einerseits viele Auftritte zu bestreiten, andererseits können es auch nicht immer alle Sängerinnen und Sänger zeitlich einrichten“, begründete Chorleiter Maik Gosdzinski den höchstens optisch ins Auge fallenden Personalengpass.

Therese Galetzka (r.) gehört zur Chorleitung und zu den herausragenden Stimmen im Chor.

War das musikalische Angebot ohnehin fesselnd, so ließ der Chor einige Male zusätzlich aufhorchen. Urplötzlich fühlte sich das Publikum ins Fußballstadion versetzt. „You´ll never walk alone“ singen die Fans des englischen Erstligisten FC Liverpool (mittlerweile auch von andere Fußballklubs) nicht nur bei den Heimspielen des englischen Vizemeisters. „You´ll never walk alone“ (Du wirst nie allein gehen), das aus dem Musical „Carousel“ stammt, ließ Gospel Changes eben auch in einer für einen Gospelchor adaptierten Version erklingen und manch einer im Publikum sang oder summte mit. Anleihe für sein Konzertprogramm nahm der Chor genauso beim US-amerikanischen Rockstar Bruce Springsteen, der den Song „O Mary don´t you weep“ (Oh Mary weine nicht) 2006 berühmt gemacht hat und den zuvor auch schon unter anderen Pete Seeger und Nat King Cole gesungen hatten.

Am Schluss stand das Publikum, erklatschte sich Zugaben, so dass der bezaubernde Nachmittag nicht nach einer guten Stunde wie geplant endete, sondern 100 Minuten dauerte.

Wie lieblich ist der Maien

Der Leipziger Kammerchor in der Kirche Kitzen.

Mit einem Frühlingskonzert unter dem Motto „Wie lieblich ist der Maien“ wartete der renommierte Leipziger Kammerchor am 1. Mai in der Kirche Kitzen auf. Der Feiertag, der dieses Jahr auf einen Sonntag fiel, war auch der Tag, an dem die traditionelle Radpartie des Siedlervereins Kitzen stattfand und es um die Mittagszeit Hochbetrieb im Gasthof Thesau gab, wobei sich die künftigen Betreiber vorstellten. Dennoch war die Kirche zum nachmittäglichen Konzert gut gefüllt. Der Kammerchor erfreute die Besucher mit einem reichhaltigen musikalischen Angebot. Das reichte von Volksliedern wie „Es klappert die Mühle“, bei denen jeder mitsingen konnte, bis hin zu Liedern Robert Schumanns „So sei gegrüßt viel tausendmal“ oder Claudio Monteverdis „Non giacinti o narcisi“ (Keine Hyazinthen oder Narzissen), bei denen verzückt gelauscht wurde. Dazu kamen Frühlingslieder aus Frankreich, Schweden oder den USA. Das Thema des Konzerts kam in Form des mehr als 400 Jahre alten Liedes „Wie lieblich ist der Maien“ von Johann Steuerlein (1546 – 1616), wofür Martin Behm 1604 den Text verfasst hatte, natürlich auch zu Gehör. Für die Konzertbesucher blieb das Fazit, es hat sich wieder gelohnt, das kulturelle Angebot des Fördervereins Sankt Nikolai Kitzen auch an einem Tag mit vielen anderen Veranstaltungen anzunehmen.

Schöne Stimmen erfüllten den Konzertraum.

Ingrid Riedel, die Vorsitzende des Fördervereins, vearbschiedete den Chor mit einem Blumenstrauß an Chorleiter Georg Mogwitz.

Kein Tacet in munterer Runde

Wolfgang Rögner

Tacet – ein Begriff aus der Musik – bedeutet schweigen. Wolfgang Rögner nannte sein Büchlein so, das er vor einigen Jahren in einer, wie er sagt, kleinen selbst genommenen Auszeit geschrieben hat. Geschwiegen wird darin allerdings nicht. Ganz im Gegenteil, der Dirigent verschiedener Klangkörper und aktuelle Intendant des Leipziger Symphonie Orchesters (LSO) erzählt launige, manchmal auch nachdenklich machende Geschichte aus seinem Leben, aus dem Leben eines Kapellmeisters eben.

Eigentlich habe er das Büchlein mehr für sich selbst geschrieben, erzählt er bei einer Lesung im März zum Auftakt des Kulturjahres im Förderverein Kirche St. Nikolai im Kitzener Kulturhaus. Letztlich aber auch dank einer Bekanntschaft mit dem ehemaligen, mittlerweile gestorbenen künstlerischen Leiter der Porzellanmanufaktur Meißen, Christian Schöppler, der das Büchlein illustrierte, fand „Tacet“ den Weg an die Öffentlichkeit. Und das ist erfreulich.

Dem 1951 in Thüringen geborenen Rögner, Mutter Chorsängerin und Vater Musiklehrer, war die Musik nahe und das Musikstudium folgerichtig. Nach Abschluss des von ihm gewählten Dirigentenstudiums führte ihn der Weg durch zahlreiche Theater, Opernhäuser und Konzertsäle, unter anderem einige Jahre nach den Niederlanden, für gelernte DDR-Bürger alles andere als gewöhnlich.

So hat er schließlich einen enormen Fundus an Erinnerungen zu diversen Anekdoten geformt, garnierte sie mit seinen Lieblings-Kochrezepten sowie mit Gedichten, die er mag. Knapp eine Stunde lang las und erzählte er vor einem gut gelaunten Publikum. Am besten amüsierte es sich über die Theatergeschichten. Zum Beispiel über dieser jenes Sängers am Plauener Theater, der während der Aufführung und seines Gesangs an einer Hochzeitstafel von Mitstreitern darauf aufmerksam gemacht wird, dass seine Hose offen ist. Ohne seinen Gesangspart zu unterbrechen, geht er hinter der Tafel ein wenig in die Knie und schließt fürs Publikum verdeckt die Hose. Was der Sänger nicht bemerkt, er hat das Tafeltuch mit eingeklemmt. Mit dem Ende des Liedes schreibt das Drehbuch seinen Abgang von der Bühne vor. Er geht und reißt die Tischdecke mit sich.

Gut gelaunt verfolgte das Publikum im Kitzener Kulturhaus die Lesung.

Wer noch mehr Geschichten kennenlernen will, dem ist das Büchlein zu empfehlen.

Rögner war nicht zum ersten Mal in Kitzen. Zweimal bereits kam er zu Konzerten mit dem LSO in die Kirche und führte jeweils launig durchs Programm. Wenn das Orchester am 19. Juni 2022 zum dritten Mal in Kitzen aufspielt, wird man ihn vermutlich ein weiteres Mal mit begrüßen können.

Von Steiger bis Holzmichl

Peter Kreißl (l.) und Andreas Tiede als „De Hutzenbossen“

Wollen die wirklich schon Schluss machen, fragt sich mancher im Publikum nach dem 90-minütigen Auftritt der Band „De Hutzenbossen“ am letzten Juli-Samstag 2021? Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel bringt es auf den Punkt, als sie sich als Gastgeberin des Abends von Peter Kreißl kurz das Mikrofon leiht. „Da fehlt doch noch was?“ fragt sie an die Musiker gewandt. Was denn mit dem Holzmichl sei? Ob er denn noch lebe? „Wir haben es befürchtet, dass die Frage kommt“, entgegnet Kreißl laut lachend und stimmt mit Andreas Tiede das alte Volkslied an, dass die Band „De Randfichten“ in Deutschland berühmt gemacht hat. Und das Publikum auf der Terrasse vom Kitzener Kulturhaus stimmt lauthals ein in den Refrain, der erleichtert deklamiert „Er lebt noch, er lebt noch, stirbt nicht“. Die Zeile steht gleichsam für dieses spezielle musikalische Genre. Damit geht dann aber doch der Abend mit der erzgebirgischen Volksmusikgruppe „De Hutzenbossen“ zu Ende, der mit dem nicht weniger berühmte „Steigerlied“ begonnen hatte.

Dazwischen gab es jede Menge erzgebirgische Lieder, bei denen die mehr als 50 Besucherinnen und Besucher mitsangen und mitschunkelten. Auch im Flachland der Leipziger Tieflandsbucht schaffen es „De Hutzenbossen“, ihr Publikum einzufangen. Der Altersdurchschnitt der Zuhörinnen und Zuhörer ist nicht eben niedrig, da kommen auch die alten Schlager wie „Hello Mary Loo“ (Rickey Nelson 1960), „Rote Lippen soll man küssen“ (die älteste Version geht auf Ruth Brown 1957 zurück) oder „Marina, Marina“ (Rocco Granata 1959) in einem Medley bestens an. Kreißl und Tiede mischen noch „Bergvagabunden“ und „Sierra Madre“ ein, bei denen man so schön mitsingen kann.

Das Publikum ist begeistert.

Am Ende des Abends sind sich alle einig, dass sie ihren Spaß gehabt haben. Wohl auch deshalb, weil „De Hutzenbossen“ nicht nur von der Bühne, die in dem Fall die Stufen zum Kulturhaus sind, agieren, sondern auf ihr Publikum zugehen, es einbeziehen, auch einmal niederknien, über Tische und Bänke gehen und somit zeigen, dass sie selbst Freude an dem haben, was sie da 200- bis 300-mal im Jahr mit Gitarre, Trompete, Steirischer Harmonika und Stimme tun.

Standhaft/Daßler zum Dritten

Tino Standhaft (l.) und Norman Daßler waren bereits zum dritten Mal für ein Konzert in Kitzen.

Nach 2017 und 2019 waren sie wieder da. Tino Standhaft und Norman Daßler kam dabei ein Privileg zu. Der Auftritt der beiden Rockmusiker aus Leipzig war das erste Konzert nach dem Abschluss der Sanierung in der Kirche Sankt Nikolai Kitzen. Der hätte früher sein sollen, aber die Corona-Pandemie verhinderte bislang in diesem Jahr Veranstaltungen in der Kirche. Daher sollte der Auftritt von Standhaft/Daßler am 26. September eigentlich unter freiem Himmel im Pfarrhof stattfinden. Ein entsprechendes Hygienekonzept war von der zuständigen Behörde genehmigt worden. Doch der Dauerregen machte ein Konzert im Freien unmöglich. Kurzfristig wurde in die Kirche umgezogen, ebenfalls unter strengen Hygieneregeln. Nur Besucher aus einem Haushalt durften beisammensitzen, ansonsten wurden die Zuschauer und -hörer weit auseinandergesetzt. Das Hinein und Hinaus in und aus der Kirche wurde über getrennte Türen an der Süd- und an der Nordseite geregelt. Getränke und Speisen durften nicht mit hineingenommen werden. „Maske auf!“ hieß das Motto.

Letzteres galt nicht für Standhaft/Daßler – die sollten schließlich spielen und singen. Und das taten sie in bekannt wunderbarer Manier. Im Teil des Abends holten sie Rock- und Bluessongs unterschiedlichster Musiker der 1970er Jahre hervor. So schallte Eric Claptons „Cocain“ ebenso durch die Kirche wie „Keep on Running“ von der Spencer Davis Group, „Can´t find my Way home“ von Blind Faith erklang und „Locomotiv Breath“ von Jethro Tull. Um besonders gut gerüstet zu sein für „Circle oft the world“ von Ritchie Blackmore, stimmte Standhaft extra noch einmal seine Gitarre. „Das Lied ist so schön, dafür muss alles stimmen“, meinte Standhaft lachend.

Im zweiten Teil des Abends gab es dann, wofür Standhaft/Daßler besonders gern in die Saiten greifen und die Stimmen nicht schonen. Eine Stunde lang holten sie Neil Young in den Raum. „On the beach“ fehlte ebenso wenig wie „Heart of gold“ oder „Comes a time“, „Old man“ oder „The needle and the damage done“ und „Words“. Standhaft setzte bei einigen der Songs noch die Mundharmonika ein. Alles einfach fantastisch anzuhören.

Natürlich wollten die Besucher die beiden Rocker nicht ohne Zugabe ziehen lassen. Die gabs dann dreifach, unter anderem mit „Rockin´ in a free world“. Einer von jenen Titeln, wie Standhaft anmerkte, die US-Präsident Donald Trump ohne zu fragen bei seinen Wahlkampfveranstaltungen nutzte, wofür ihn Neil Young mittlerweile verklagt hat.

In Sankt Nikolai hatte niemand Grund zur Klage, als sich die Konzertbesucher nach gut zwei Stunden Rockgeschichte zutiefst zufrieden auf den Heimweg machten. Der eine oder andere sicher mit dem Gedanken, auch ein viertes Mal für die zwei Rocker in oder an die Kirche zu kommen.

Nach einem Abend, bei dem die beiden Musiker auch optisch in bestes Licht gesetzt wurden. Hier noch ein paar Bildimpressionen des Abends: