Erinnerung, Dank, Glück

Am 14. September 2025 hatte der Förderverein der Kirche Sankt Nikolai Kitzen nicht zum ersten Mal anlässlich eines Tages des offenen Denkmals Besucher in die Kirche eingeladen. Dennoch war es in diesem Jahr ein besonderes Ereignis. Es war der erste Tag des offenen Denkmals nach Beendigung der baulichen Sanierung und dem Wiedereinbau der mehr als 100 Jahre alten und nun erneuerten Rühlmann-Orgel.

Wieder gab es ein volles Haus beim Konzert zum Tag des offenen Denkmals in der Kirche Sankt Nikolai.

Dementsprechend hatten sich die Organisatoren auch etwas Besonderes einfallen lassen. Neben dem traditionellen Konzert zu dem Tag und einer öffentlichen Führung gab es eine ökumenische Vesper. Geleitet wurde sie vom evangelischen Pfarrer Hans Schmidt aus Kitzen und vom katholischen Pfarrer Christoph Baumgartner aus Leipzig, der auch für Katholiken in Kitzen und Umgebung Seelsorger ist. Neben Gebet und Fürbitte und Gesang baten sie fünf mit der Kirche und ihrer Sanierung verbundene Menschen, sich zu erinnern.

Die Pfarrer Christoph Baumgartner (l.) und Hans Schmidt leiteten die ökumenische Vesper am Nachmittag.

An einem Tisch im Altarraum hatten dafür Ingrid Riedel und Siegwald Bielesch Platz genommen, die Initiatoren und Organisatoren der Sanierung; Restauratorin Birgit Mühler; Albrecht Kunzmann, der seit Kindheit mit der Kirche verbunden ist und jahrzehntelang Arzt in Kitzen war; und Claudia Lange vom Gemeindekirchenrat. Jedem von ihnen hatte Hans Schmidt einen „Denkzettel“ gegeben, sozusagen ein Stichwort, mit dessen Hilfe sich die fünf Frauen und Männer vor einem reichlich in die Kirche geströmten Publikum, Gläubige wie Nichtgläubige, erinnern sollten.

Albrecht Kunzmann, Ingrid Riedel, Birgit Mühler, Claudia Lange und Siegwald Bielesch erinnerten sich.

„Dank“ war das Stichwort für Albrecht Kunzmann. Von der Taufe an sei er mit der Kirche verbunden und habe viele schöne Erinnerungen. Unter anderem „erinnere ich mich gern an die Gelegenheit für uns Kinder, am Sonntag die Glocken zu läuten. Besonders an das Anhalten der Glocken, bei dem wir Kinder am Seil ein Stück in die Höhe gezogen wurden“. Umso schmerzlicher empfand er den Verfall des Hauses. Anfang der 1990er Jahre habe es bereits einmal den Versuch gegeben, mit einem Verein die Kirche zu retten. „Aber erst mit Ingrid und Siegwald war dem Erfolg beschieden. Dafür gilt ihnen ein großer Dank.“

Das SalonQuartett „Stadtpfeifer“ beim Auftritt zum Tag des offenen Denkmals.

„Vom Gedanken zur Tat“ hieß der Denkmal-Anstoß für Siegwald Bielesch. Der mittlerweile 88-Jährige erinnerte sich, wie er und seine Frau Ingrid Riedel 2005 angesprochen wurden, sich einmal die Kirche anzuschauen, und wie erschrocken sie waren, als sie den Zustand sahen. „Auf dem Nachhauseweg habe ich Ingrid gefragt, ob wir uns für die Sanierung einsetzen wollen. Sie hat ja gesagt. Aber wir wussten beide nicht, was da auf uns zukommen würde.“ Im Rückblick erinnere er sich an unglaublich viel Arbeit, auch Rückschläge, vor allem aber an Glücksgefühle.

Stefan Altner spielte an der restaurierten Orgel.

„Portal“ stand auf dem Denkzettel für Birgit Mühler. Die Restauratorin ist eines Tages von Siegwald Bielesch angesprochen worden, dem sie vom Denkmalschutz empfohlen worden war. Die Frage war, ob sie sich der romanischen Eingangsportale annehmen würde. „Ja, das wollte ich, obwohl das Südportal, mit dem ich angefangen habe, schwer beschädigt war. Eine der Säulen war in solch schlechtem Zustand, dass selbst die Denkmalschützer sagte, ich solle sie austauschen.“ Aber sie sei ehrgeizig genug gewesen, um alles erhalten zu wollen. Das sei schließlich gelungen. „Die Arbeit war Herausforderung und Freude.“

„Begeisterung und Stolz“ waren die Gedankengeber für Ingrid Riedel. Nach 15 Jahren Sanierung gebe es viele Augenblicke, an die sie sich gern erinnere. Besonders einer stehe sinnbildlich für gemeinsam Geleistetes. „Als 2014/15 die Fenster der Kirche saniert wurden, sagte der Fensterbauer, dass er vor dem Wiedereinbau jemanden brauche, der die Scheiben putze. Ich habe im Frauenkreis nachgefragt, viele waren gern mit dabei. Im Kulturhaus wurden die Scheiben geputzt. Nachdem sie eingebaut waren, habe wir uns das Ergebnis gemeinsam angeschaut. Alle waren begeistert. Jede der Frauen betrachte das Werk, wusste noch, welche Scheiben sie geputzt hatte und war stolz darauf.“

Orgelbauer Thorsten Zimmermann (2. v. r.) freute sich über das Ergebnis seiner Arbeit.

„Überraschung“ hieß das Stichwort für Claudia Lange. „Ingrid rief mich eines Tages an, dass wegen der Sanierung die Orgel ausgebaut werden müsse.“ Und das möglichst schnell. Sie habe den Orgelbauer angerufen, der hatte Zeit für den Ausbau. Mit Hilfe von Spenden und Fördermitteln, um die man sich gemeinsam bemüht hatte, sei genügend Geld für die Restaurierung der Orgel zusammengekommen. Nun erklinge das Instrument wieder – das sei Überraschung und Freude zugleich.

Die neue alte Orgel erklang, gespielt von Stefan Altner, an dem Tag gleich mehrfach. Einmal während der nachmittäglichen Vesper, dann noch einmal im Rahmen des frühabendlichen Bläserkonzerts. Hatte Altner die Besucher der Vesper mit der Orgelinterpretation des Halleluja von Georg Friedrich Händel verabschiedet, begrüßte er sie wenig später mit „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach erneut in der Kirche. Rund 150 Gäste lauschten dem Orgelspiel, dem gemeinsamen Auftritt von Orgel und Bläsern und schließlich dem kraftvollen Spiel des SalonQuartetts „Stadtpfeifer“ mit Karl Heinz Georgi, Ingolf Barchmann, Dirk Lehmann und Sebastian Ude. Dem klassischen Teil ließen sie eine Reihe modernerer Stücke folgen: Yesterday von den Beatles, We are the Champions von Queen, Is she lovly von Stevie Wonder, In the Mood von Glenn Miller und vieles mehr.

Viel beachtet wurden auch die Ausstellung von Frauenporträts der Malerin und Autorin Stephanie Steinhardt, die Wurzeln in Kitzen hat, sowie die Fotoschau „Momente“ von Birger Zentner.

Schließich saßen Musiker, Vereinsmitglieder und Konzertbesucher noch bis in die Dunkelheit bei Wein und anderen Getränken im Pfarrhof zusammen, sichtlich bewegt und beglückt vom Konzert und den Erinnerungen an eine anstrengende Zeit, ehe die Kirche jetzt wieder komplett saniert genutzt werden kann – als kulturelle Begegnungsstätte und Gotteshaus. Für die Veranstaltungen am Tag des offenen Denkmals musste kein Eintritt gezahlt werden, aber die Pfarrer Schmidt und Baumgartner baten sozusagen als Kollekte um Spenden für die Kirche. „Wir sind zwar fertig mit der Sanierung, aber jetzt muss das Gebäude auch erhalten werden. Das wird erneut Zeit, Arbeit und Geld kosten“, sagte Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel.

Viele Besucher kamen bei Kaffee und Kuchen im Pfarrhof ins Gespräch.

Wind weht durch die Pfeifen

Was für ein Anblick! Die Orgel sieht wieder wie eine Orgel aus.

Jedes Mal, wenn Thorsten Zimmermann eine der Orgelpfeifen mit dem Pfeifenfuß in das zuständige Loch gleiten lässt, dann ertönt ein Ton. Denn der Wind, wie die Orgelbauer und Organisten den Luftzug in der Orgelkonstruktion nennen, weht schon wieder durch das große Instrument in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai. Am Donnerstag und am Freitag (14. und 15. August) hat der Orgelbauer aus Halle die großen Prospektpfeifen eingesetzt.

Auch wenn die silbrigen Pfeifen da noch blau aussahen, weil sie in schützende Kunststofffolie gehüllt sind, mit ihnen sieht die mehr als 100 Jahre alte Orgel schon wieder wie eine Orgel aus. Die aus 85 Prozent Zinn und 15 Prozent Blei bestehenden Teile sind funkelnagelneu. Rund 18.000 Euro kosten die neuen Pfeifen, was wie die gesamte Orgelsanierung von der Kirchgemeinde mit Hilfe von Fördermitteln und Spenden finanziert wird.

Schwerstarbeit muss Orgelbauer Thorsten Zimmermann beim Einsetzen der großen Prospektpfeifen verrichten.

Das Einsetzen dieser Pfeifen ist für Zimmermann Schwerstarbeit, denn sie wiegen einiges. Die mittlere und größte ist mit einer Länge von rund zweieinhalb Metern gut und gerne 40 Kilogramm schwer. Warum nicht die alten Pfeifen aufgearbeitet und wieder eingesetzt wurden, erklärt der Orgelbauer: „Ursprünglich waren sie aus Zinn und Blei, aber im Verlauf des ersten Weltkriegs wurden an vielen Orgeln in Deutschland die Pfeifen ausgebaut, um sie einzuschmelzen und aus dem Metall Gewehrgeschosse zu gießen.“ Wie Zimmermann weiter berichtet, bekamen die Orgeln als Ersatz Pfeifen aus Zink. Jetzt werden sie vom Material her wieder dem Ursprungszustand angepasst. Die Legierung mit dem hohen Zinnanteil ist wichtig für die Qualität der Tonerzeugung.

Auch wenn nun von außen schon alles wie eine Orgel aussieht und im hinteren Teil der Orgel die großen Holzpfeifen für die Erzeugung der tiefen Töne nach Erneuerung eingebaut wurden, es bleibt immer noch allerhand zu tun. Eine Vielzahl kleinerer Pfeifen muss noch eingebaut werden. Zimmermann ist optimistisch, dass die Arbeit bis Ende August beendet ist.

Der ursprüngliche Spieltisch ist runderneuert worden.

Spätestens am Tag des offenen Denkmals, dem 14. September, soll die Orgel wieder gespielt werden können. Das geschieht dann auch vom komplett erneuerten ursprünglichen Spieltisch aus. Der wurden in der Werkstatt von Mike Zuber aus Mixdorf in Brandenburg aufgearbeitet, mit dem Zimmermann bei der Sanierung von Orgeln häufig zusammenarbeitet.

Auch das Rühlmannsche Firmenschild am Spieltisch glänzt wieder.

Auch wenn die Pfeifen an der Schauseite, dem Prospekt, der Orgel neu sind, das Instrument als solches ist nahe dran am einstigen Original, wie Wilhelm Rühlmann aus Zörbig die Orgel 1902 für die hallesche Garnisonskirche gebaut hat. Dort blieb sie ein Vierteljahrhundert, ehe sie 1927 in einer Erfurter Kirche eingebaut wurde. Nach Kitzen kam das Instrument 1937.

Rühlmann bediente sich damals einer pneumatischen Technik für das Orgelspiel. „Ursprünglich wurden mit den Manuals und Pedals Mechaniken in Bewegung gesetzt“, sagt Zimmermann. Die Pneumatik sei für die damalige Zeit Hightech gewesen und erleichterte den Organisten das Spiel. Aufgrund fortgeschrittener Technologien baue man heutzutage auch wieder mechanische Technik in Orgeln ein.

Die in Kitzen verwendete pneumatische Anlage ist demnach mehr als 100 Jahre alt. „Das Steuergerät stammt wahrscheinlich tatsächlich vom Anfang des 20. Jahrhunderts“, sagt der Orgelbauer. Der unterhalb der Pfeifen liegende Blasebalg, der dem erzeugten Wind als Zwischenspeicher dient, stammt nach Zimmermanns Einschätzung aus den 1920er Jahren und wurde vermutlich einige Jahre späte in die Orgel eingesetzt, als das Instrument nach Kitzen kam.

Blick auf die großen Pfeifen aus Holz, die mit den Pedals am Spieltisch der Orgel gespielt werden und für die Basstöne zuständig sind.

Orgel im „Anflug“

So sieht die Orgel im Moment aus, die von Thorsten Zimmermann (l.) und Mike Zuber wieder hergerichtet wird.

Im August 2025 könnte es so weit sein. Dann sollte die Kitzener Kirche nach gut einem Jahrzehnt wieder eine Orgel haben. Die beiden Orgelbauer Thorsten Zimmermann aus Halle und Mike Zuber aus Mixdorf in Brandenburg sind in diesen Maitagen dabei, den hölzernen Korpus der Orgel für den Wiedereinbau des Musikinstruments vorzubereiten. Das bedeutet für die beiden Meister erst einmal großes Saubermachen. Nicht nur, dass das Holzgestell und viele Teile, die nicht ausgebaut wurden wie die Pfeifen, im Laufe der Jahre eine ordentlich Staubschicht angesammelt haben. Durch die Sanierungsarbeiten in den Kirche und im Turm liegen auch jede Menge Putzreste und anderes grobkörniges Material darin herum.

Putzen ist für Thorsten Zimmermann erst einmal angesagt.

Ist alles besenrein, müssen als nächstes viele Kleinteile wie die hunderte von Ventilen gereinigt werden. Das ist eine aufwändige und zeitintensive Arbeit. Erst dann können nach und nach die rund 700 Pfeifen wieder eingesetzt werden. Orgelbauer Thorsten Zimmermann rechnet damit, dass das bis Mitte oder Ende Juli dauern wird. Sind die Pfeifen eingebaut, muss noch jede gestimmt werden

Mike Zuber verschafft sich einen Überblick, wie es im Inneren der Holzkonstruktion aussieht.

Die Pfeifen liegen derzeit noch in seiner Werkstatt. Jede einzelne musste in akribischer Handarbeit aufgearbeitet werden. „Das haben wir geschafft“, sagt Zimmermann. Immerhin hat nach seinen Worten allein dieser Teil der Arbeit zwei volle Monate in Anspruch genommen.

Blick auf die Ventile der Orgel, die auch alle gereinigt werden müssen.

Die Orgel ist im Übrigen ein wenig herumgekommen, ehe sie in der Kitzener Kirche zum ersten Mal eingebaut wurde. War bislang immer zu lesen, dass das Instrument von 1913 stammt, so kann Thorsten Zimmermann das korrigieren. Ihm liegt der „Lebenslauf“ der Orgel vor. Demnach wurde sie ursprünglich für die hallesche Garnisonskirche gebaut, und zwar 1902. 1927 wurde sie in einer Kirche in Erfurt installiert. Erst 1937 ist sie dann nach Kitzen umgesetzt worden.

Überall in der Holzkonstruktion liegt Staub und anderer Schmutz.

Gebaut wurde sie vom Zörbiger Orgelbaumeister Wilhelm Rühlmann, der von 1842 bis 1922 gelebt hat und in seiner Jugend beim berühmten Weißenfelser Orgelbauer Friedrich Ladegast in die Lehre gegangen ist. Von Ladegast stammen unter anderem die Orgel in der Leipziger Nikolaikirche, im Merseburger Dom und in der Weißenfelser Marienkirche. Dass die Rühlmannsche Werkstatt einen guten Ruf hatte, zeigt die Tatsache, dass sie zwischen 1869 und 1939 unter Friedrich Rühlmann, Wilhelm Rühlmann und Wilhelm Rühlemann jun. für 460 Neu- und größere Umbauten von Orgeln verantwortlich zeichnete.

Es ist geschafft

Vor wenigen Tagen sind die letzten Gerüste an der Kirche Sankt Nikolai Kitzen abgebaut worden. Damit endet eine mehr als 14 Jahre andauernde Bautätigkeit an dem denkmalgeschützten Bauwerk. Vor rund 14 Jahren drohte der Kirche, deren Bau wohl vor 875 Jahren begonnen wurde, der totale Verfall. Ingrid Riedel und Siegwald Bilesch nahmen sich der damals herrenlosen Kirche an, gründeten den Förderverein, der Kirche erwarb, und die Stiftung und leiteten die Sanierung in die Wege. Das Ergebnis ist ein innen wie außen wieder schick und standhaft gemachtes Bauwerk.

Die Sanierung des Turms war die letzte Etappe des Mammutprojektes. Hier ein fotografischer Rundgang um die komplett sanierte Kirche.

Zum Vergleich: Die Außenansicht der Kirche 2014:

Kirche Kitzen 2014: Trockenlegung des Mauerwerks

Sturm rüttelt an der Kirche

Der Umschlag des mehr als 230 Jahre alten Briefes.

War es eine stürmische Nacht? Oder hat der Wind tagsüber heftig geblasen? Auf jeden Fall hat der Sturm ordentlich an der Kirche Kitzen gerüttelt und erhebliche Schäden angerichtet, möglicherweise am 15. März 1793 oder in der Nacht zum 16. März. Es könnte aber auch ein paar Tage zuvor gewesen sein. Genau wissen wir es nicht.

Jedenfalls hat der Merseburger Domkämmerer Melchior Balthasar Segnitz am Sonntag, dem 17. März 1793 an den Kitzener Pastor Funkens einen Brief geschrieben, um dessen Brief zu beantworten, der ihm am Sonnabend zuvor (oder vielleicht auch schon eine Woche früher) zugegangen war. Darin entschuldigt sich Segnitz, dass er nicht gleich am Sonnabend dem Boten eine Antwort mitgegeben hat, da ihn andere wichtige Geschäfte daran gehindert haben. Auf jeden Fall sagte er dem Kitzener Pastor zu, dass er unaufschiebbare Reparaturen sofort ausführen lassen kann und für die aufschiebbaren einen Kostenvoranschlag nach Merseburg senden soll. Darüber hinaus geht es in jenem Brief noch um einige Schuldenangelegenheiten, die aber offenbar weniger mit der Geschichte der Kirche Kitzen zu tun haben.

Seite 1 des Briefes

Nach knapp 232 Jahren ist jener Brief wieder in Kitzen angekommen, irgendwie auf wundersame Weise. Was Pastor Funkens seinerzeit mit dem Brief gemacht hat, wird wohl im Dunkeln bleiben. Jedenfalls ist er nicht in einem der Kirchenarchive gelandet. Im vorigen Jahr hat ihn ein Berliner Online-Antiquariat bei E-Bay angeboten. Markus Cottin, der Leiter des Domstiftsarchivs und der Domstiftsbibliothek in Merseburg, hat ihn entdeckt und bei Ingrid Riedel, der Vorsitzenden des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai Kitzen, nachgefragt, ob der Verein Interesse an dem Brief haben würde. Ingrid Riedel sagte Ja und Cottin ersteigerte das alte Dokument. Im Januar 2025 hat er es an den Verein übergeben.

Nach 230 Jahren noch immer recht gut erhalten: Seite 2 des Briefs.

Der Brief ist offensichtlich gut gelagert worden. Denn das mehr als 200 Jahre alte Schriftstück ist gut erhalten, die schwarze Tinte hebt sich klar vom Papier ab, vorausgesetzt, man kann die alte Schrift auch wirklich lesen.

„Gut! das Sie sogleich die Fenster wieder machen laßen. Wenn der Schaden am Kirch Dach unaufschieblich ist, so laßen Sie es auch machen. Wo nicht, so schicken Sie mir einen Anschlag der Reparatur-Kosten und Materialien.“ So heißt es in dem Brief.

Die „Übersetzung“ des Briefs in für die Allgemeinheit lesbare Schrift, aber in der damals gebräuchlichen Ausdrucksweise und Rechtschreibung.

Hübsch zu lesen ist auch die ausgesprochene Höflichkeit, mit der sich Segnitz an Funkens wendet. Die Anrede ist geradezu entzückend: „Seiner des Herrn Pastors Magister Funkens, Hochwohlehrwürdigen in Hohenlohe. Hochwohlehrwürdiger Herr, Hochgeehrtester Herr Magister.“

Und am Schluss, nicht weniger entzückend: „Empfehlen Sie mich dero Frau Liebste! Ich bin mit vollkommener Hochachtung Ew. Hochwohlerwürden ergebenster Diener.“

Welchen Weg der Brief in den 230 Jahren zurückgelegt hat, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Der Berliner Online-Antiquar Theodor Schmidt hat ihn zusammen mit 2000 weiteren Briefen auf einem Flohmarkt am Berliner Ostbahnhof erstanden. „Das waren acht Aktenordner aus dem Nachlass eines Briefsammlers, die dort angeboten wurden“, erzählt er in einem Telefonat. Nach Durchsicht dieser 2000 Schreiben habe er 70 aussortiert, von denen er angenommen habe, dass es dafür Interessenten geben könnte. „Zwei Drittel davon habe ich mittlerweile verkauft“, sagt Schmidt. Wie der Brief zu dem Sammler, der nicht mehr befragt werden kann, gekommen ist, könne er nicht sagen. „Aus meinen Erfahrungen weiß ich allerdings, dass Pfarrer solche Schreiben als ihr persönliches Eigentum betrachtet haben, so dass sie nicht in Kirchenarchiven gelandet sind, sondern eben in der Familie aufgehoben wurden.“

Ähnlich sieht das auch Markus Cottin. Er sei immer auf der Spur von alten Dokumenten, die sich mit dem Merseburger Dom befassen. Daher habe er beim Internetportal Ebay einen permanenten Suchauftrag eingerichtet unter den Stichworten Sammeln, Seltenes, Merseburg. „Das meiste, was dabei angezeigt wird, sind Postkarten aus jüngerer Zeit. Da viele Touristen nach Merseburg und in den Dom kommen, werden auch viele derartige Dinge angeboten. Zirka 20 Treffer habe ich jeden Tag. Und manchmal sind eben auch interessante Briefe wie jener von 1793 dabei“, erzählt Markus Cottin. Aufgrund seiner Erfahrung kann er die vor mehr als 200 Jahren verwendete Kanzleischrift, in der der Domkämmerer geschrieben hat, lesen und „übersetzen“. Das hat er mit dem besagte Brief gemacht. Etwa eine Stunde habe er dafür gebraucht. Den vorausgegangenen Brief von Pastor Funkens an den Domkämmerer habe er allerdings nicht finden können. Der sei offenbar nicht im Domarchiv gelandet.  

Was aber nun tun mit einem solchen alten Dokumente. „Ich denke, wir sollten den Brief zeigen“, sagt Ingrid Riedel. So weit, so gut. Aber in welcher Form. Darüber wird man sich im Verein noch ein paar Gedanken machen müssen. Denn das schon gealterte Papier würde wohl den schwankenden Temperatur- und den unklaren Feuchtigkeitsverhältnissen in der Kirche nicht lange standhalten. Also wird es darauf hinauslaufen, eine Kopie des Originalbriefes zu zeigen. Über das Wann und Wie wird noch zu entscheiden sein.

Allerdings dürfte es noch eine Menge anderer Dokumente zur Kitzener Kirche geben. Sie gehören laut Ingrid Riedel zum Kirchenarchiv, das im Pfarrhaus gelagert ist. Was dort zu finden sein könnte, das wartet noch auf die Erforschung. Nach Auskunft von Markus Cottin gibt es auch im Domarchiv Dokumente zur Kitzener Kirche wie zum Neuaufbau des Altars Ende des 18. Jahrhunderts. Aber das wäre dann schon wieder eine neue Geschichte.

Das I-Tüpfelchen

Eins der Zifferblätter für die neue Turmuhr wird für den Transport nach oben schützend eingepackt.

Noch steht das Gerüst am Kirchturm. Aber im Dezember wird es abgebaut und dann ist aus drei Richtungen die neue Turmuhr zu sehen. 1,34 Meter mal 1,34 Meter messen die drei neuen Zifferblätter, die – wie auch schon früher – nach Norden, Süden und Osten zeigen und weithin sichtbar die Uhrzeit kundtun werden. Am Freitag (22. November) wurden sie zusammen mit dem neuen elektrischen Uhrwerk im Kirchturm installiert. Noch in der Woche vor dem 1. Advent wird sich allerdings Turmuhren-Techniker Mike Scholze ein weiteres Mal auf den Turm begeben müssen, um an den Zifferblättern Stunden- und Minutenzeiger anzubringen und dann die Uhr einzuschalten. Damit bekommt die Sanierung der Kirche das I-Tüpfelchen aufgesetzt. Die mehr als ein Jahrzehnt andauernde bauliche Erneuerung des 800 Jahren alten denkmalgeschützten Bauwerks endet. Der Förderverein der Kirche Sankt Nikolai hatte dies initiiert und organisiert.

So rundum komplett wird die Sache voraussichtlich im kommenden Jahr, wenn die mehr als 100 Jahre alte Orgel wieder eingebaut werden kann, die derzeit in Verantwortung der Kirchgemeinde restauriert wird.

Vorbereitungsarbeiten für die Installation der Zifferblätter: Mike Scholze (knieend) und Bodo Götze.

Begleitet war die Erneuerung der Kirche von einem schier endlosen Kampf ums Geld, das über Spenden und Fördermittel aufgebracht werden musste. Ingrid Riedel, die Vorsitzende des Fördervereins, und ihr Mann Siegwald Bilesch können davon ein Lied singen. Schlussendlich trieb Ingrid Riedel auch noch 10.000 Euro Fördergeld von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz speziell für die Uhr auf. Der Verein brachte weitere 5000 Euro auf, so dass die neue Turmuhr finanziert werden konnte.

Mit dem Turmuhrentechniker Mike Scholze aus Klinga, einem Ortsteil der Gemeinde Parthenstein im Landkreis Leipzig, hat der Verein einen renommierten Fachmann gewinnen können. Er zeichnet unter anderen für die neue Rathausuhr in Großenhain verantwortlich und wartet regelmäßig eine der bekanntesten Uhren von Leipzig. Regelmäßig steigt er aufs Kroch-Hochhaus am Leipziger Augustusplatz hinauf, um das dortiger Uhrwerk instand zu halten, das die beiden Glockenmänner antreibt.

Mike Scholze und Ines Gärtner präsentieren eins der neuen Zifferblätter, die in der Werkstatt von Mike Scholze angefertigt wurden. Foto: Bodo Götze

Ganz so hoch hinaus musste Mike Scholze an besagtem Freitag zwar nicht, aber „es war schon eine ziemliche Höhe, die wir bewältigen mussten“, sagte er am Freitagabend nach getaner Arbeit. Zu den Herausforderungen gehörte, die drei Zifferblätter nach oben zu bringen. Mit einer Seilwinde wurden sie vorsichtig im schmalen Zwischenraum zwischen Mauerwerk und Gerüst emporgezogen. „Zum Glück gab es helfende Hände vom Verein, sonst wäre das unmöglich gewesen“, sagte der Uhrenfachmann. Werner Reutter, Gerd Wippert, Bodo Götze, Bernd Oettel und Siegwald Bilesch waren bei Temperaturen um die null Grad und kaltem Wind zur Stelle, um mit Hand anzulegen. Zur Unterstützung von Scholze war an diesem Tag auch seine Frau Ines Gärtner mitgekommen. Ihr Metier sind eigentlich mehr die Armband- und die Wanduhren, für die sie in Naunhof ein Geschäft betreibt. „Aber da ich ein Ein-Mann-Betrieb bin, hilft sie mir bei solchen Aufträgen wie dem an der Kirche in Kitzen“, erklärte Mike Scholze.

Scholze ist seit zehn Jahren selbstständiger Mechaniker für Turmuhren. „Ich habe den Betrieb 2014 von meinem Schwiegervater übernommen, der mich zuvor auch ausgebildet hat.“ Die neue Turmuhr in Kitzen verfügt über ein elektrisches Uhrwerk, das von einem Funksignal gesteuert wird. Das ist deutlich wartungsärmer als ein mechanisches Werk und laut dem Fachmann auch sehr präzise bei der Zeitanzeige. Er hat übrigens nicht nur die Uhr installiert, sondern die neuen Zifferblätter aus Stahl, Aluminium und Lack sind von ihm angefertigt worden. Wenn voraussichtlich pünktlich zum 1. Advent die Uhr „tickt“, ist Scholzes Arbeit für Kitzen noch nicht gänzlich getan. Er arbeitet noch das alte mechanische Uhrwerk und eins der alten Zifferblätter auf. Sie sollen nach den Worten von Ingrid Riedel als Museumsstücke einen Platz im Turm finden, wo sie zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden können. „Wir wollen zeigen, wie solche Uhrwerke aussehen und wie sie funktioniert haben“, erklärte Riedel.

Gerd Wippert, Bodo Götze und Werner Reutter platzieren das Zifferblatt im schmalen Zwischenraum zwischen Mauerwerk und Gerüst, damit es vorsichtig empor gezogen werden kann.

Sanierung teurer – Spenden sollen helfen

Der eingerüstete Turm zeugt vom Fortgang der Sanierungsarbeiten an der Kirche.

Dass der Schlussspurt bei der Sanierung der Kitzener Kirche Sankt Nikolai noch einmal ein echter Kraftakt werden würde, das war abzusehen. Dass aber das Geld nicht reichen könnte, um am Ende noch den Turm in Ordnung zu bringen, bringt auch den besten Plan ins Wanken. Vor dem Förderverein öffnet sich ein Finanzierungslücke. „Die Turmsanierung, für die 160.000Euro eingeplant waren, wird etwa 30.000 Euro teurer“, sagt Ingrid Riedel, Vorsitzende des Fördervereins. Bislang ist unklar, wie das fehlende Geld aufgetrieben werden könnte. Aus den Rücklagen des Vereins ist die Lücke nicht zu schließen. Zusätzliche Fördermittel sind ebenfalls nicht aufzutreiben. „Die Töpfe sind leer“, resümiert die Vereinsvorsitzende. Der Verein setzt nun darauf, dass das Finanzloch mit Hilfe von Spenden gestopft werden kann.

Matthias Sonntag zeigt, wo Risse ausgebessert, Fugen erneuert werden mussten.

Das alles ist nicht schlechter Planung geschuldet, sondern Erkenntnissen, die erst gewonnen werden konnten, nachdem der Putz abgeschlagen war. „Es gibt Mauerwerksrisse, die sich zum Teil über mehrere Stockwerke ziehen. Die wurden nie ausgebessert, sondern mit dem Putz zugedeckt“, erzählt Ingrid Riedel. Zudem seien an mehreren Stellen großflächige Steine entdeckt worden, die nicht mit Mörtel verbunden waren, sondern nur übereinander lagen. Außerdem habe es Stellen gegeben, an denen ganze Steine fehlten. Die Stellen mussten geschlossen werden, um nicht statische Probleme entstehen zu lassen. Zum Glück gab es noch Steine, die von den bisherigen Sanierungsarbeiten übrig waren.

Lieselotte Grundmann bessert das Mauerwerk am Turm aus.

Großes Erschrecken gab es auch, als im Zuge der Turmsanierung jetzt erstmals der Dachstuhl beziehungsweise die Auflagen für den Dachstuhl sichtbar wurden. „Diese Stellen waren bislang nicht zugänglich“, erklärt Ingrid Riedel. Wie sich zeigte, sind die Dachbalken auf der Westseite unter anderem durch Witterungseinflüsse völlig marode. Zudem ist das Mauerwerk an der Traufe an vielen Stellen regelrecht zerbröselt. Auch das musste nun zusätzlich erneuert werden.

Hier musste das Mauerwerk an der Traufe erneuert werden.

Nachdem die Zimmerleute ihre Arbeit getan hatten, sind derzeit die Putzer am Werk. Sie sind erst einmal damit beschäftigt, die Schadstellen zu beseitigen. Matthias Sonntag, Lieselotte Grundmann und Florens Schmidt, die zurzeit am Turm arbeiten, kommen von der Leipziger Firma DPS Denkmalpflege Putz & Stuck GmbH. Das 1998 gegründete Unternehmen ist aus dem schon zu DDR-Zeiten bekannten VEB Denkmalpflege hervorgegangen. Die Firma hat laut ihrer Website in der Vergangenheit an renommierten Projekten wie der Leipziger Thomaskirche oder dem Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts (ehemaliges Reichsgericht, Dimitroffmuseum) sowie der Nikolaikirche in Leipzig gearbeitet.

Der junge Leipziger Florens Schmidt absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Firma DPS, das er mit Hilfe der Jugendbauhütte Görlitz vermittelt bekam.

Jetzt die Arbeiten zu unterbrechen, um sie im nächsten Jahr eventuell mit zusätzlichen Fördermitteln zu finanzieren, sei keine Alternative, erklärt Ingrid Riedel. Allein die zusätzliche Standzeit für die Gerüste würde Unmengen an Geld verschlingen. „Die Hoffnung besteht nun darin, dass mit Hilfe von Spenden zusätzliche Mittel aufgetrieben werden“, sagt sie. Jeder Beitrag sei willkommen, der Verein ist berechtigt, Spendenquittungen auszustellen.

Gespendet werden kann mit dem Verwendungszweck „Turmsanierung“ an den Förderverein der Kirche Sankt Nikolai.

Konto:

Sparkasse Leipzig:
IBAN: DE54 8605 5592 1100 8934 62
BIC: WELADE8LXXX

Von der obersten Etage des Gerüstes eröffnet sich bei klarem Wetter ein weiter Blick ins Land bis hin zum 17 Kilometer Luftlinie entfernten Völkerschlachtdenkmal.

Auf der Zielgeraden

Der Kirchturm ist eingerüstet.

Selbst der längste UItra-Marathon hat irgendwann ein Ende. Die seit 14 Jahren mit viel Kraft, langem Atem und Stehvermögen organisierte Sanierung der Kirche Sankt Nikolai Kitzen ist ein solcher Ultra-Marathon. Und jetzt kommen die Beteiligten auf die Zielgerade. Der ursprünglichste Gebäudeteil, der Turm, wird von außen samt Dach und Turmuhr in Ordnung gebracht.

Der Turm ist, wie weithin zu sehen, eingerüstet, und auf den Laufplanken des Gerüsts wird Schwerstarbeit geleistet. Denn eben mal schnell mit dem Hammer den Putz abschlagen, das geht nicht.  Was zuletzt vor gut 35 Jahren als äußere Schicht aufgetragen wurde, erweist sich als stark betonhaltig und leistet damit der schweren Technik der Handwerker knallharten Widerstand. Dennoch, das Ende ist absehbar.

Das Entfernen des Putzes ist für die Bauhandwerker eine harte Arbeit.

Dieser letzte Abschnitt der Kirchensanierung musste aufgrund der zu sehr unterschiedlichen Zeiten erfolgten Fördermittelzusagen in zwei Teilen absolviert werden. Gerade für die umfangreichen Außenarbeiten war der Förderverein auf Hilfe aus EU-Programmen angewiesen. Die zuständigen Gremien hatten sich gerade wieder auf eine neue Periode für die Jahre 2023 bis 2027 festgelegt. „Aus Erkenntnissen früherer Verfahren war absehbar, dass wir die Zusagen und damit das Geld aus dem europäischen Förderprogramm LEADER erst Anfang 2024 erhalten würden“, sagt Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel.

So kam es, dass die Innensanierung des Turms bereits 2022 erfolgte, dann aber zwangsweise eine Lücke auftrat und die Fortsetzung außen erst jetzt beginnen konnte. Zum Glück konnten Mittel aus der Denkmalpflege bis in dieses Jahr mitgenommen werden. „Denn wird sind immer auf einen Mix aus Fördermitteln angewiesen“, sagt Ingrid Riedel. „Das Geld für die Turmsanierung kommt aus dem schon erwähnten LEADER-Programm, aber zu großen Teilen auch aus dem Bundes- und Landesdenkmalschutz sowie von privaten Stiftungen.“

Sobald also der jetzige Putz abgeschlagen ist, bekommt der Turm als äußere Schicht einen Schlämmputz, also einen Dünnschichtputz wie ihn schon die anderen Wände der Kirche erhalten haben. Die Mauerwerkstruktur bleibt somit sichtbar. Damit wohl auch eine Entdeckung, die beim Entfernen des Putzes jetzt gemacht wurden. Unterhalb der Schallläden, die den Glockenklang optimieren sollen, gab es in früheren Zeiten einmal Fenster, die zugemauert worden sind. Wann das war, welchem Zweck die Fenster gedient haben und warum sie irgendwann dauerhaft geschlossen wurden, bleibt indes unklar.

Die Schallläden werden übrigens im Juli ausgebaut und aufgearbeitet. Der nächste große Schritt ist für August geplant. Dann wird das Dach abgedeckt und bekommt die schon auf den anderen Dächern der Kirche verwendeten roten Ziegel. Das ist dann auch der Moment, in dem sich herausstellen wird, ob es nicht doch noch Unwägbarkeiten gibt. Sicher scheint schon, dass am Dachstuhl Zimmermannsarbeiten notwendig sind. Zu dem Zeitpunkt lässt sich laut Ingrid Riedel aber auch erst begutachten, ob das Gebälk des Glockenstuhls optimal positioniert ist. Es darf der Mauer wegen der mögliche Übertragung von Schwingungen nicht zu nahe platziert sein.

Der Glockenstuhl ist übrigens der obere Teil des Holztragegerüsts, das den gesamten Turm durchzieht und offenbar von 1635 stammt. Zumindest haben dendrochronologische Untersuchungen ergeben, dass das Holz in jenem Jahr geschlagen wurde. Aufgrund von Beschädigungen im Dreißigjährigen Krieg (1618 -1648) musste der Turm, der als ältester Teil der Kirche gilt, erneuert werden.

Zu den Kuriositäten der Baugeschichte der Kirche gehört die Sache mit den vor zwei, drei Jahren entfernten Zugbändern. Sie sollten eigentlich nur für gut ein Jahr die Turmstabilität nach der letzten umfangreicheren Sanierung unterstützen. Der Turm hat ein doppeltes Mauerwerk, der Raum dazwischen wurde mit anfallendem Material wie Bauschutt verfüllt. Erst Ende der 1980er Jahre wurde ein neues Verfahren angewandt und ein stabile Mischung zwischen die Wände gefüllt. Im Zuge der politischen Veränderungen und den für zwei Jahrzehnte ungeklärten Eigentumsverhältnissen an der Kirche geriet die Funktion der Zugbänder in Vergessenheit.

Gut zu erkennen sind die Konturen der einstigen Fenster unterhalb der Schallläden.

Der Schlusspunkt hinter der Turmsanierung wird der Einbau der erneuerten Turmuhr samt drei neuen Zifferblättern sein. „Die neuen Zifferblätter und die Zeiger werden ähnlich wie die bisherigen aussehen“, erklärt Ingrid Riedel. Damit bleibt die bekannte Optik erhalten. Verändern wird sich allerdings etwas an der Platzierung der Zifferblätter. Das auf der Südseite und das auf der Ostseite, die gleichzeitig aus Richtung Friedhof zu sehen sind, werden etwa auf eine Höhe gebracht. Das dritte Blatt auf der Nordseite wird seine bisherige Position behalten. Eingebaut wird im Übrigen eine elektrisch gesteuerte Uhr.

Schlussendlich soll laut Ingrid Riedel im November die Kirchensanierung beendet sein. 280.000 bis 300.000 Euro wird die Turmsanierung dann gekostet haben. Im Frühjahr 2025 sollte auch die Orgel wieder eingebaut, gestimmt und zu hören sein.

Pilger in Kitzen

Ingrid Riedel erzählte den Besuchern von der Historie der Kirche Kitzen und der Sanierung.

Es muss nicht unbedingt Santiago de Compostela am Ende des Jakobsweg sein, wenn man einmal pilgern will. Es kann auch einmal Kitzen mit seiner Kirche Sankt Nikolai sein, das man sich als Ziel auswählt. So tat es eine kleine Gruppe aus der katholischen Gemeinde Sankt Bonifatius Leipzig, die sich am Sonnabend, dem 13. April, von Markkleeberg aus auf den rund 20 Kilometer langen Fußweg machte.

Gäste und Gastgeber bei der Andacht.

„Pfarrer Christoph Baumgartner und ich wandern beziehungsweise pilgern sehr gern, um das Gemeindegebiet kennenzulernen“, sagt Gemeindemitglied Michael Kehr auf die Frage, wie es denn zum Ziel Kitzen gekommen ist. Der Raum Pegau gehöre mit zu Bonifatius-Gemeinde. „Drei- bis viermal im Jahr machen wir uns deshalb zu verschiedenen Zielen in der Region auf den Weg. Zehn bis 15 Gleichgesinnte kommen dann jeweils zusammen“, erzählt Kehr weiter. Bei einer dieser Pilgertouren waren die Teilnehmer in der nach dem Brand von 2015 wieder sanierten Kirche Tellschütz. „Dort haben wir auch von den Sanierungsarbeiten an der Kitzener Kirche erfahren und uns gesagt, dass das ein weiteres interessantes Ziel unserer Pilgertouren sein könnte.“

Pfarrer Christoph Baumgartner begleitete den musikalischen Teil der Andacht auf der Gitarre.

Der Kontakt zur Vorsitzenden des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai Ingrid Riedel war schnell hergestellt und ein Termin ausgemacht. Nach der Ankunft in Kitzen gestalteten Michael Kehr, seine Frau Katrin, Pfarrer Baumgartner und andere Gemeindemitglieder eine kurze Andacht in der Kirche. Es wurde, begleitet vom Pfarrer auf der Gitarre, gesungen, und es gab die ein oder andere lehrhafte Geschichte zu hören. Jene zum Beispiel von der Grille, die den ganzen Sommer über musiziert, aber nicht für die Winterzeit vorgesorgt hatte. Beim Hirschkäfer und bei der Maus wurde sie in der kalten Jahreszeit abgewiesen. Erst der blinde Maulwurf nahm sie auf, weil ihn ihre Musik den Sommer über erfreut hatte.

Eine Blume als Dank für die Gastfreundschaft und ihren Vortrag überreichte Michaelk Kehr am Ende an Ingrdi Riedel.

Danach gab Ingrid Riedel einige Einblicke in die Geschichte der Kitzener Kirche und vor allem in die seit 2010 laufenden Erneuerungsarbeiten, die mit der Turmsanierung in diesem Jahr und dem Wiedereinbau der Orgel ihren Abschluss finden sollen. Mit großem Interesse nahmen die Gäste zur Kenntnis, dass bereits mehr als 1,5 Millionen Euro in die Sanierung des Bauwerks investiert wurden.

Zum Schluss der Begegnung gab es noch von Ingrid Riedel selbst gebackenen Kuchen und Kaffee, ehe sich die Besucher wieder auf den Heimweg machten. Allerdings nicht noch einmal zu Fuß. „Wir haben am Freitagabend Autos in Kitzen abgestellt“, sagte Kehr lachend. 20 Kilometer Fußmarsch an dem Sonnabend seien genug gewesen für den Pilgertag.

10000 Euro und die Turmuhr

Scheckübergabe von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Kitzen.

Ein weiterer Schritt zur kompletten Sanierung der Kirche Sankt Nikolai Kitzen ist getan. In der letzten Juniwoche 2023 wurde die Innensanierung des Turms beendet. Der nächste Schritt ist absehbar, wird aber erst im kommenden Jahr gegangen werden können, weil der Förderverein dafür auf Geld aus dem europäischen LEADER-Programm angewiesen ist. Die notwendigen Weichenstellungen werden aber erst im zweiten Halbjahr 2023 zu erwarten sein.

Der Turm muss noch von außen saniert werden.

Ursache ist, dass gerade eine neue Förderperiode für die Jahre bis 2027 beginnt. Und die Erfahrung aus vorangegangenen Förderzyklen besagt, dass mit der Auszahlung des beantragten Geldes gegen Jahresende oder gar erst 2024 zu rechnen ist.Dafür kam jetzt anderes Geld für die Fortsetzung der Sanierung in die Kasse des Fördervereins. Von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gab es am 28. Juni 2023 einen Scheck in Höhe von 10000 Euro. Angelika Dörrscheidt, die ehrenamtliche Leiterin des Ortskuratoriums Leipzig übergab die Geldzusage samt symbolischem Scheck im Großformat an die Vorsitzende des Fördervereins Ingrid Riedel. Dieses Geld soll speziell für die Sanierung der Turmuhr eingesetzt werden, sagte Ingrid Riedel.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist seit Beginn der Sanierungsarbeiten an der Kitzener Kirche eine Partnerin des Vorhabens. „Unter anderem hat sie bereits 2010 die Restaurierung des romanischen Südportals mit 18000 Euro gefördert“, erklärte Ingrid Riedel. Seither unterstützte die Stiftung das Kitzener Projekt Kirchensanierung mit mehreren zehntausend Euro. Die 1985 ins Leben gerufene Stiftung ist die größte private Initiative für Denkmalpflege in Deutschland, heißt es auf ihrer Homepage. Sie steht unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Bundespräsidenten. Bislang habe sie vor allem dank der aktiven Mithilfe und Spenden von mehr als 200000 Förderern 6500 Denkmale mit mehr als einer halben Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen können. Mit der Wiedervereinigung 1990 hat die Stiftung, die damals noch sehr jung war, innerhalb kurzer Zeit auch die Förderung von Baudenkmalen auf dem Gebiet der DDR übernommen, wovon letztlich Kitzen profitiert hat. Mehr zur Stiftung gibt es hier.

Eine Tafel neben dem Südportal gibt neuerdings Auskunft über die institutionellen Untersstützer der Sanierung.

Klappt alles, dann sollte die Kirchensanierung in Kitzen im nächsten Jahr mit der äußerlichen Erneuerung des Turms abgeschlossen werden können. Große Hoffnung gibt es zudem, dass dann auch die 110 Jahre alte Orgel wieder eingebaut werden kann. Sie wurde 1913 von der Orgelbauanstalt Wilhelm Rühlmann aus Zörbig installiert. Die Orgel, die derzeit wegen der Bauarbeiten ausgelagert ist, wieder in Takt zu bringen, hat sich die Kirchgemeinde vorgenommen.