Von den Highlands zur irischen Küste

Die Fiddle Folk Family in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai.

Wildnis und sanfte Hügel, üppige Vegetation an der irischen Küste bei Kerry und dürres Gras der schottischen Highlands, steile Klippen und klare Seen, Whisky vom Feinsten und ein Bier in einem Pub, uralte Schlösser und wunderbare Gärten, ergreifende Balladen über Landschaften und Menschen – Irland und Schottland haben das alles reichlich. Fiddle Folk Family bringt das musikalisch auf die Bühne. Die singende und klingende Familie aus Markranstädt, Ortsteil Göhrenz, war am Sonntag, 28. September 2025, einmal mehr in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai zu Gast und begeisterte rund 180 Besucher. Zum wiederholten Male in diesem Jahr passte keine weitere Sitzgelegenheit mehr in den Kirchenraum.

Kein weiterer Stuhl passte mehr in die Kirche.

Die Platz gefunden hatten, feierten das Quintett ausgiebig. Wer Schottland und Irland kennt, konnte sich erinnern an seine Reiseerlebnisse, wer die Landstriche bislang nicht gesehen hat, konnte sich in sie hineinträumen und darüber nachdenken, sie einmal persönlich in Augenschein zu nehmen. Die Ballade von der Fischhändlerin Molly Malone, die seit 1987 in Dublin ein entzückendes Denkmal hat und mittlerweile ein Wahrzeichen der irischen Hauptstadt ist, gehörte dazu. Das Lied gibt es zwar schon seit 1883, aber die irische Folkband Dubliners hat es während ihrer Existenz zwischen 1962 und 2012 um die Welt getragen.

Das Denkmal für Molly Malone in Dublin.

Nicht so alt, aber ebenso berührend, dass die Melodie einem gar nicht mehr aus dem Kopf will, ist „Mull of Kintyre“. Ex-Beatle Paul McCartney hat die Ballade um die südliche Spitze der schottischen Halbinsel Kintyre mit seiner Begleitband The Wings in den 1970er Jahren nach der Beatles-Ära gesungen. Der Song geht einem schon deshalb noch eine Weile durch den Kopf, weil die Fiddle Folk Family ihn als letztes Stück des Abends spielte und sang. Das Publikum hatte ihn sich als zweite Zugabe erklatscht.

Blick auf den Leuchtturm am Mull of Kintyre und die irische See.

In die bunte Mischung der irischen und schottischen Folksongs mixten die Musiker noch ein wenig Countrymusic. Zum Beispiel mit „I saw the Light“ von Johnny Cash (1932 – 2003), einem der berühmteste Country-Musiker. Entdeckt habe er den Song schon in den 1970er Jahren, als Cash ihn in einem der frühen Inspektor-Columbo-Filmen in seiner Rolle als Tommy Brown gesungen hat. Cash spielt in dem Film den Mörder, der von Columba, gespielt vom unvergessenen Peter Falk (1927 – 2011), natürlich raffiniert überführt wird.

Die dritte Generation: Jakob Klingner mit der Flöte.

Dazu gab es ein wenig Blue Grass, der sich als Musikstil aus Einflüssen der angloamerikanischen Ballade, afroamerikanischer Tanzmusik, gemischt mit der Musik der Einwanderer aus Europa – darunter Iren – entwickelt hat. Und schließlich griff Fiddle Folk Family mit „What shall wie do with the drunken Sailor“ ins große Reservoire der Shantys. Mit „Wild Rover“, einem 200 Jahre alten irischen Volkslied, gab es zudem einen Klassiker, bei dem das Publikum so herrlich mitklatschen konnte. Wem der Liedname nichts sagte, dem kam die Erleuchtung nach den ersten Tönen. Denn zur Melodie haben Klaus und Klaus eine deutsche Version mit dem Titel „An der Nordseeküste“ getextet.

Matthias Neumann, Andreas und Stephan Klingner.

Fiddle Folk Family ist beim Publikum auch deshalb beliebt, weil es von Anfang an eine Mehr-Generationen-Band ist. Sangen anfangs Andreas und Bettina Klingner mit ihren Söhnen Simon und Stephan, so hat sich mittlerweile Enkeln Jakob als Sohn von Stephan in die Familienkapelle gespielt. Er übernimmt die Parts mit verschiedenen Flöten und der Schalmei, deren Töne typisch für irischen und schottischen Folk sind. Beim Auftritt in Kitzen war Bassist Simon zwar nicht dabei. „Er ist mit eigener Band unterwegs“, sagte Andreas Klingner. Aber bestens vertreten wurde er von Matthias „Neumi“ Neumann. Er sei oft mit Fiddle Folk unterwegs, sagte Andreas Klingner. „Wir kennen uns ja auch seit 40 Jahren“, ergänzte Neumi. Also ist auch er schon irgendwie Family.

Bettina Klingner.
Vor dem Konzert war die Kuchentafel dicht umlagert. Fleißige Helferinnen und Helfer hatten gebacken und verkauften Kuchen, Kaffee, Wein und andere Getränke. Vor und nach dem Konzert waren viele unterwegs, um die Tische und Bänke im Pfarrhof aufzubauen sowie Dutzende Stühle als zusätzliche Sitzgelegenheiten vom Kulturhaus in die Kirche und wieder zurückzubringen.

Erinnerung, Dank, Glück

Am 14. September 2025 hatte der Förderverein der Kirche Sankt Nikolai Kitzen nicht zum ersten Mal anlässlich eines Tages des offenen Denkmals Besucher in die Kirche eingeladen. Dennoch war es in diesem Jahr ein besonderes Ereignis. Es war der erste Tag des offenen Denkmals nach Beendigung der baulichen Sanierung und dem Wiedereinbau der mehr als 100 Jahre alten und nun erneuerten Rühlmann-Orgel.

Wieder gab es ein volles Haus beim Konzert zum Tag des offenen Denkmals in der Kirche Sankt Nikolai.

Dementsprechend hatten sich die Organisatoren auch etwas Besonderes einfallen lassen. Neben dem traditionellen Konzert zu dem Tag und einer öffentlichen Führung gab es eine ökumenische Vesper. Geleitet wurde sie vom evangelischen Pfarrer Hans Schmidt aus Kitzen und vom katholischen Pfarrer Christoph Baumgartner aus Leipzig, der auch für Katholiken in Kitzen und Umgebung Seelsorger ist. Neben Gebet und Fürbitte und Gesang baten sie fünf mit der Kirche und ihrer Sanierung verbundene Menschen, sich zu erinnern.

Die Pfarrer Christoph Baumgartner (l.) und Hans Schmidt leiteten die ökumenische Vesper am Nachmittag.

An einem Tisch im Altarraum hatten dafür Ingrid Riedel und Siegwald Bielesch Platz genommen, die Initiatoren und Organisatoren der Sanierung; Restauratorin Birgit Mühler; Albrecht Kunzmann, der seit Kindheit mit der Kirche verbunden ist und jahrzehntelang Arzt in Kitzen war; und Claudia Lange vom Gemeindekirchenrat. Jedem von ihnen hatte Hans Schmidt einen „Denkzettel“ gegeben, sozusagen ein Stichwort, mit dessen Hilfe sich die fünf Frauen und Männer vor einem reichlich in die Kirche geströmten Publikum, Gläubige wie Nichtgläubige, erinnern sollten.

Albrecht Kunzmann, Ingrid Riedel, Birgit Mühler, Claudia Lange und Siegwald Bielesch erinnerten sich.

„Dank“ war das Stichwort für Albrecht Kunzmann. Von der Taufe an sei er mit der Kirche verbunden und habe viele schöne Erinnerungen. Unter anderem „erinnere ich mich gern an die Gelegenheit für uns Kinder, am Sonntag die Glocken zu läuten. Besonders an das Anhalten der Glocken, bei dem wir Kinder am Seil ein Stück in die Höhe gezogen wurden“. Umso schmerzlicher empfand er den Verfall des Hauses. Anfang der 1990er Jahre habe es bereits einmal den Versuch gegeben, mit einem Verein die Kirche zu retten. „Aber erst mit Ingrid und Siegwald war dem Erfolg beschieden. Dafür gilt ihnen ein großer Dank.“

Das SalonQuartett „Stadtpfeifer“ beim Auftritt zum Tag des offenen Denkmals.

„Vom Gedanken zur Tat“ hieß der Denkmal-Anstoß für Siegwald Bielesch. Der mittlerweile 88-Jährige erinnerte sich, wie er und seine Frau Ingrid Riedel 2005 angesprochen wurden, sich einmal die Kirche anzuschauen, und wie erschrocken sie waren, als sie den Zustand sahen. „Auf dem Nachhauseweg habe ich Ingrid gefragt, ob wir uns für die Sanierung einsetzen wollen. Sie hat ja gesagt. Aber wir wussten beide nicht, was da auf uns zukommen würde.“ Im Rückblick erinnere er sich an unglaublich viel Arbeit, auch Rückschläge, vor allem aber an Glücksgefühle.

Stefan Altner spielte an der restaurierten Orgel.

„Portal“ stand auf dem Denkzettel für Birgit Mühler. Die Restauratorin ist eines Tages von Siegwald Bielesch angesprochen worden, dem sie vom Denkmalschutz empfohlen worden war. Die Frage war, ob sie sich der romanischen Eingangsportale annehmen würde. „Ja, das wollte ich, obwohl das Südportal, mit dem ich angefangen habe, schwer beschädigt war. Eine der Säulen war in solch schlechtem Zustand, dass selbst die Denkmalschützer sagte, ich solle sie austauschen.“ Aber sie sei ehrgeizig genug gewesen, um alles erhalten zu wollen. Das sei schließlich gelungen. „Die Arbeit war Herausforderung und Freude.“

„Begeisterung und Stolz“ waren die Gedankengeber für Ingrid Riedel. Nach 15 Jahren Sanierung gebe es viele Augenblicke, an die sie sich gern erinnere. Besonders einer stehe sinnbildlich für gemeinsam Geleistetes. „Als 2014/15 die Fenster der Kirche saniert wurden, sagte der Fensterbauer, dass er vor dem Wiedereinbau jemanden brauche, der die Scheiben putze. Ich habe im Frauenkreis nachgefragt, viele waren gern mit dabei. Im Kulturhaus wurden die Scheiben geputzt. Nachdem sie eingebaut waren, habe wir uns das Ergebnis gemeinsam angeschaut. Alle waren begeistert. Jede der Frauen betrachte das Werk, wusste noch, welche Scheiben sie geputzt hatte und war stolz darauf.“

Orgelbauer Thorsten Zimmermann (2. v. r.) freute sich über das Ergebnis seiner Arbeit.

„Überraschung“ hieß das Stichwort für Claudia Lange. „Ingrid rief mich eines Tages an, dass wegen der Sanierung die Orgel ausgebaut werden müsse.“ Und das möglichst schnell. Sie habe den Orgelbauer angerufen, der hatte Zeit für den Ausbau. Mit Hilfe von Spenden und Fördermitteln, um die man sich gemeinsam bemüht hatte, sei genügend Geld für die Restaurierung der Orgel zusammengekommen. Nun erklinge das Instrument wieder – das sei Überraschung und Freude zugleich.

Die neue alte Orgel erklang, gespielt von Stefan Altner, an dem Tag gleich mehrfach. Einmal während der nachmittäglichen Vesper, dann noch einmal im Rahmen des frühabendlichen Bläserkonzerts. Hatte Altner die Besucher der Vesper mit der Orgelinterpretation des Halleluja von Georg Friedrich Händel verabschiedet, begrüßte er sie wenig später mit „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach erneut in der Kirche. Rund 150 Gäste lauschten dem Orgelspiel, dem gemeinsamen Auftritt von Orgel und Bläsern und schließlich dem kraftvollen Spiel des SalonQuartetts „Stadtpfeifer“ mit Karl Heinz Georgi, Ingolf Barchmann, Dirk Lehmann und Sebastian Ude. Dem klassischen Teil ließen sie eine Reihe modernerer Stücke folgen: Yesterday von den Beatles, We are the Champions von Queen, Is she lovly von Stevie Wonder, In the Mood von Glenn Miller und vieles mehr.

Viel beachtet wurden auch die Ausstellung von Frauenporträts der Malerin und Autorin Stephanie Steinhardt, die Wurzeln in Kitzen hat, sowie die Fotoschau „Momente“ von Birger Zentner.

Schließich saßen Musiker, Vereinsmitglieder und Konzertbesucher noch bis in die Dunkelheit bei Wein und anderen Getränken im Pfarrhof zusammen, sichtlich bewegt und beglückt vom Konzert und den Erinnerungen an eine anstrengende Zeit, ehe die Kirche jetzt wieder komplett saniert genutzt werden kann – als kulturelle Begegnungsstätte und Gotteshaus. Für die Veranstaltungen am Tag des offenen Denkmals musste kein Eintritt gezahlt werden, aber die Pfarrer Schmidt und Baumgartner baten sozusagen als Kollekte um Spenden für die Kirche. „Wir sind zwar fertig mit der Sanierung, aber jetzt muss das Gebäude auch erhalten werden. Das wird erneut Zeit, Arbeit und Geld kosten“, sagte Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel.

Viele Besucher kamen bei Kaffee und Kuchen im Pfarrhof ins Gespräch.

Ein voller Erfolg

Guten Appetit und viel Spaß hatten die Besucher beim Marktfrühstück.

Das 1. Kitzener Marktfrühstück war ein Volltreffer. Knapp 150 Besucher waren am Sonnabend, dem 13. September 2025, mit Kind und Kegel der Einladung des Fördervereins Kirche Sankt Nikolai und Bürgerstiftung Kitzen gefolgt. Auf der Terrasse des Kitzener Kulturhauses gab es die Möglichkeit, lecker zu frühstücken und parallel verschiedene Frischeprodukte wie Honig, Gemüse und Wurstwaren zu kaufen. Der Erlös der Veranstaltung wird in die Finanzierung des künftigen Kitzener Dorfladens einfließen, der im nächsten Jahr eröffnet werden soll. Dabei wird es sich um einen Automatenladen handeln.

Jede Menge Besucher beim Marktfrühstück.

Fördervereinsvorsitzende Ingrid Riedel und ihr Mann Siegwald Bielesch hatten im Frühjahr dieses Jahres das Konzept des Marktfrühstücks im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim kennengelernt. „Wir waren so begeistert, dass wir sofort überlegt haben, so etwas auch in Kitzen umzusetzen“, erinnert sich Bielesch. Die Frage war, kann etwas, was in der 20.000 Einwohner zählenden Stadt Bad Dürkheim klappt, auch im knapp 1000 Einwohner zählenden Kitzen funktionieren? Seit Sonnabend ist die Antwort ganz klar und eindeutig: Ja.

Andrea Auster (l.) bot Honig an.

Riedel und Bielesch sowie ihre Mitstreiter hatten in den vergangenen Wochen keine Arbeit und Mühe gescheut, um Partner für die Veranstaltung zu gewinnen. Die Frauen und Männer des Fördervereins hatten Tische, Bänke und Zelte aufgebaut, leckere Frühstücksteller vorbereitet, Kaffee gekocht und frische Brötchen von den Kitzener Bäckereien Hänsch und Tauber herangeholt. Die Wurst kam von der Pegauer Fleischer-Genossenschaft. An den kleinen   Verkaufsständen wurden Waren der Gärtnerei Schladitz aus Pegau, Produkte wie Konserven und Milch aus dem Hofladen der Kitzener Agrarprodukte-Genossenschaft, frische Sachen des Erzeugers Richard Landgraf, Honig aus dem Bienenhaus von Andrea Auster, selbstgemachte Marmeladen von Fördervereinsmitgliedern angeboten.

Silvia Kunzmann (r.) verkaufte verschiedene Frischeprodukte.

Genau darum ging es. Regionale Produkte sollten vermarktet werden. Das fand die Unterstützung der Kampagne „Gute Wahl regional“ (www.gute-wahl-regional.info). „Wir arbeiten im Auftrag des sächsischen Landwirtschafts-Ministeriums“, sagte Johannes Bachmann von der Beratungsfirma Conoscope. „Einerseits wollen wir für regionale Produkte werben, andererseits Landwirtschafts- und Gartenbaubetriebe beraten, wie sie ihre regionalen Produkte auf Märkten, aber auch in Supermärkten der Umgebung vermarkten können.“ Bachmann betreute beim Kitzener Marktfrühstück einen entsprechenden Informationsstand.

Katrin Pfeiffer (l.) vermarktete Produkte der Gärtnerei Schladitz.

Die Besucher waren es Lobes voll. Ihnen bot sich neben Frühstücken und Kaufen die Gelegenheit zum launigen Schwatz im Familienkreis oder mit Freunden und Nachbarn. Nebenbei hatten auch die Kinder ihren Spaß, ganz besonders an den von Gerd Wippert gebauten verschiedenen großen Gedulds- und Geschicklichkeitsspielen. Die wurden übrigens auch von vielen Erwachsenen ausprobiert.

Beim 1. Kitzener Marktfrühstück soll es nicht bleiben. Voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres wird es eine Neuauflage geben.

Kornelia von Holten und Gerlinde Wippert hatte den Verkaufstisch mit Frühstückstellern gedeckt, die in der Küche des Kulturhauses von mehreren fleißigen Helferinnen vorbereitet wurden.
Gute Laune am Frühstückstisch mit Kind und Kegel.
Viel Spaß bei den diversen Spielen hatten die Kinder …
… und auch Erwachsene.
Johannes Bachmann informierte über die Kampagne zur regionalen Vermarktung.
Bei solchem Angebot wurde gern zugegriffen.
Als alle anderen satt waren, hatten auch die fleißigen Helferinnen wie Kornelia von Holten und Gerlinde Wippert Gelegenheit fürs Frühstück.

Wunderbares Nebenbei

Enchore beim Auftritt in der Kitzener Kirche.

Wie oft muss man trainieren, damit solch schöne Stimmen herauskommen? Die Antwort von Claudia Engel ist verblüffend. „Wir treffen uns einmal in der Woche, um zu üben. Und wir bestreiten zwei bis drei Konzerte zwischen Frühjahr und Herbst und noch einmal drei bis vier in der Vorweihnachtszeit.“

Mehr nicht? Man fragt es ungläubig. „Wir wollten unseren Gesang nie zum Beruf machen, darin waren wir uns alle einig. Wir wollten Spaß und Freude daran haben, was womöglich verlorengegangen wäre, wenn wir damit unser Geld verdienen müssten“, erklärt Claudia Engel. Die sechs jungen Damen des Ensembles Enchore aus Leipzig kennen sich seit Ewigkeiten. Neben dem Talent, das sie allesamt in die Wiege gelegt bekamen, erhielten sie ihre stimmliche Ausbildung beim renommierten Kinderchor des Mitteldeutschen Rundfunks.

Sie begleitete das Ensemble bei verschiedenen Stücken am Klavier: Ayca Dastan-Sezgin.

„Mit 18 Jahren mussten wir ausscheiden, weil wir eben keine Kinder mehr waren“, erzählt Claudia Engel lachend. Nach rund einem Jahr haben sie alle gemerkt, dass ihnen irgendetwas fehlt. Acht Sängerinnen fanden sich zusammen und planten, wieder gemeinsam zu singen. Sechs blieben schließlich bei der Stange: neben der Sopranistin Claudia Engel sind das die Mezzosopranistinnen Anja Bräutigam und Ulrike Pratesi sowie die Altistinnen Franziska Uminski Nadin Bertold und Ania Jancen.

Nach einer Weile haben die sechs Sängerinnen überlegt, auch einmal ein Konzert zu geben. „Das taten wir und die Erfahrung war so schön, dass wir den Auftritt wiederholten“, sagt Claudia Engel beinahe schwärmerisch. So entwickelte sich der Rhythmus der Konzerte, den es mittlerweile seit 18 Jahren gibt.

Das Publikum geizte nicht mit Beifall.

Kitzen bekam zum Kultursonntag am 24. August das Sommerkonzert. Dafür hatten sich die Sängerinnen einen bunten Mix von 21 Lieder zusammengestellt und dazu einen Zusammenschnitt mehrerer Lieder aus dem Soundtrack des 2004 in die Kinos gekommenen Films „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (Original: Les Choristes), die  Bruno Coulais (geboren 1954) komponiert hat.  Dazu kamen andere zeitgenössische Stücke wie die des Norwegers Ola Gjeilo (geboren 1978): Northern Lights, Ubi Caritas oder Tundra; oder auch des Amerikaners Eric Whitacre (geboren 1970) mit „The seal lullaby“

Ebenso griff Enchore auf ältere Werke zurück. Zum Beispiel „Wie lieblich schallet“ von Friedrich Silcher (1789 bis 1860) oder „Wach auf meins Herzens Schöne“ von Johannes Friedrich Reichardt (1752 bis 1814) sowie „Abendsegen“ von Engelbert Humperdinck (1854 bis 1921). Dazu packten sie oft gesungene Traditionals wie „Scarborough Fair“ und „Amazing Grace“ oder auch den bis heute vielfach gecoverten Popsong „Lollipop“, den 1958 The Chordetts veröffentlichten, sowie das weltberühmte „Hallelujah“ von Leonard Cohen (1934 bis 2016).

Zwei Stunden Konzertzeit vergingen für die mehr als 80 Besucher in der Kirche Sankt Nikolai wie im Flug. Mit jeder Menge Beifall erwarben sie sich eine Zugabe, die das Ensemble mit „Der Mond ist aufgegangen“ (Text Matthias Claudius, 1740 bis 1815, Musik Johann Abraham Peter Schulz, 1747 bis 1800)auch gern draufgab.

Die Enchore-Philosophie, den Gesang nicht zum Beruf zu machen, hat die einstigen Kinderchorsängerinnen auch privat zu besten Freundinnen gemacht, was sie zudem auf die Familien übertragen konnten. „Wir treffen uns oft zu einem Beisammensein“, sagt Claudia Engel. Neben Familie und Gesang gilt allen sechs Frauen der Beruf als wichtig. Sie arbeiten als Lehrerinnen, Projektmanagerinnen, Ingenieurinne, Planerinnen, Bankerinnen. Der gemeinsame Gesang soll weiter ihr Hobby bleiben, sozusagen ein wunderbares Nebenbei für die Künstlerinnen selbst sowie für ihr Publikum. „Wir machen so weiter, solange wir Spaß haben und die Stimmen durchhalten, von mir aus, bis wir alt und runzlig sind“, sagt Claudia Engel lachend bei einer Tasse Kaffee zum Abschied.   

Claudia Engel und Anja Bräutigam.
Nadin Berthold und Franziska Uminski.
Ulrike Pratesi und Ania Jancen.

Wind weht durch die Pfeifen

Was für ein Anblick! Die Orgel sieht wieder wie eine Orgel aus.

Jedes Mal, wenn Thorsten Zimmermann eine der Orgelpfeifen mit dem Pfeifenfuß in das zuständige Loch gleiten lässt, dann ertönt ein Ton. Denn der Wind, wie die Orgelbauer und Organisten den Luftzug in der Orgelkonstruktion nennen, weht schon wieder durch das große Instrument in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai. Am Donnerstag und am Freitag (14. und 15. August) hat der Orgelbauer aus Halle die großen Prospektpfeifen eingesetzt.

Auch wenn die silbrigen Pfeifen da noch blau aussahen, weil sie in schützende Kunststofffolie gehüllt sind, mit ihnen sieht die mehr als 100 Jahre alte Orgel schon wieder wie eine Orgel aus. Die aus 85 Prozent Zinn und 15 Prozent Blei bestehenden Teile sind funkelnagelneu. Rund 18.000 Euro kosten die neuen Pfeifen, was wie die gesamte Orgelsanierung von der Kirchgemeinde mit Hilfe von Fördermitteln und Spenden finanziert wird.

Schwerstarbeit muss Orgelbauer Thorsten Zimmermann beim Einsetzen der großen Prospektpfeifen verrichten.

Das Einsetzen dieser Pfeifen ist für Zimmermann Schwerstarbeit, denn sie wiegen einiges. Die mittlere und größte ist mit einer Länge von rund zweieinhalb Metern gut und gerne 40 Kilogramm schwer. Warum nicht die alten Pfeifen aufgearbeitet und wieder eingesetzt wurden, erklärt der Orgelbauer: „Ursprünglich waren sie aus Zinn und Blei, aber im Verlauf des ersten Weltkriegs wurden an vielen Orgeln in Deutschland die Pfeifen ausgebaut, um sie einzuschmelzen und aus dem Metall Gewehrgeschosse zu gießen.“ Wie Zimmermann weiter berichtet, bekamen die Orgeln als Ersatz Pfeifen aus Zink. Jetzt werden sie vom Material her wieder dem Ursprungszustand angepasst. Die Legierung mit dem hohen Zinnanteil ist wichtig für die Qualität der Tonerzeugung.

Auch wenn nun von außen schon alles wie eine Orgel aussieht und im hinteren Teil der Orgel die großen Holzpfeifen für die Erzeugung der tiefen Töne nach Erneuerung eingebaut wurden, es bleibt immer noch allerhand zu tun. Eine Vielzahl kleinerer Pfeifen muss noch eingebaut werden. Zimmermann ist optimistisch, dass die Arbeit bis Ende August beendet ist.

Der ursprüngliche Spieltisch ist runderneuert worden.

Spätestens am Tag des offenen Denkmals, dem 14. September, soll die Orgel wieder gespielt werden können. Das geschieht dann auch vom komplett erneuerten ursprünglichen Spieltisch aus. Der wurden in der Werkstatt von Mike Zuber aus Mixdorf in Brandenburg aufgearbeitet, mit dem Zimmermann bei der Sanierung von Orgeln häufig zusammenarbeitet.

Auch das Rühlmannsche Firmenschild am Spieltisch glänzt wieder.

Auch wenn die Pfeifen an der Schauseite, dem Prospekt, der Orgel neu sind, das Instrument als solches ist nahe dran am einstigen Original, wie Wilhelm Rühlmann aus Zörbig die Orgel 1902 für die hallesche Garnisonskirche gebaut hat. Dort blieb sie ein Vierteljahrhundert, ehe sie 1927 in einer Erfurter Kirche eingebaut wurde. Nach Kitzen kam das Instrument 1937.

Rühlmann bediente sich damals einer pneumatischen Technik für das Orgelspiel. „Ursprünglich wurden mit den Manuals und Pedals Mechaniken in Bewegung gesetzt“, sagt Zimmermann. Die Pneumatik sei für die damalige Zeit Hightech gewesen und erleichterte den Organisten das Spiel. Aufgrund fortgeschrittener Technologien baue man heutzutage auch wieder mechanische Technik in Orgeln ein.

Die in Kitzen verwendete pneumatische Anlage ist demnach mehr als 100 Jahre alt. „Das Steuergerät stammt wahrscheinlich tatsächlich vom Anfang des 20. Jahrhunderts“, sagt der Orgelbauer. Der unterhalb der Pfeifen liegende Blasebalg, der dem erzeugten Wind als Zwischenspeicher dient, stammt nach Zimmermanns Einschätzung aus den 1920er Jahren und wurde vermutlich einige Jahre späte in die Orgel eingesetzt, als das Instrument nach Kitzen kam.

Blick auf die großen Pfeifen aus Holz, die mit den Pedals am Spieltisch der Orgel gespielt werden und für die Basstöne zuständig sind.

Die spanische Nacht

Cobario bei ihrem Auftritt in der Kitzener Kirche.

Der eine Rekord wurde nicht gebrochen. Kitzen war für das Trio Cobario nicht der kleinste Ort, in dem es je aufgetreten ist. „Nein, ich glaube, das war ein kleiner Ort in der Nähe von Erfurt“, sagte Herwig Schaffner, der am Ende des Konzert gerade seine Geige beiseitegelegt hatte. Georg Aichberger und Peter Weiss – beide noch die Gitarren in der Hand – lachen dazu verschmitzt. „Aber wir mussten schon auf der Landkarte eine Weile suchen, um Kitzen zu finden“, meinte Aichberger. Dann habe man schnell gesehen, dass Kitzen in einer Region liegt, in dem das Trio schon gespielt hat. „Bei der Nähe unter anderem zu Leipzig war uns klar, dass ein Auftritt in eurer Kirche passen könnte“, ergänzte Weiss. Dass dann am letzten Juli-Samstag 2025 die Kirche vor lauter Besuchern aus allen Nähten zu platzen schien, das habe man so allerdings nicht erwartet. Denn dieser Rekord wurde gebrochen: Noch nie in der mittlerweile anderthalb Jahrzehnte andauernden Veranstaltungshistorie des Fördervereins Sankt Nikolai waren 190 Gäste gekommen.

Pure Begeisterung beim Publikum in der brechend vollen Kirche.

Für die Organisatoren hieß das unter anderem: Stühle, Stühle, Stühle schleppen. Alles, was im Umfeld an Sitzgelegenheiten aufzutreiben war, wurde in die Kirche getragen. Sogar Stehplätze sind vergeben worden. Und dennoch blieben wenigstens zwei Dutzend Kartenwünsche unerfüllt. Es passte partout niemand mehr in den Raum, ohne den Musikern auf den Füßen zu stehen.

(Hier gibt es einen kurzen Zusammenschnitt aus dem Konzert von Cobario.)

Irgendwie hatte es sich herumgesprochen, dass die drei Musiker von Cobario, die aus Wien angereist waren, etwas Außergewöhnliches zu bieten hatten. Und sie hielten, was versprochen war. Vor allem war es Musik aus eigener Komposition, die sie mal rasant, mal verträumt, mal verspielt, mal leiser, mal lauter von ihren Instrumenten aus unter dem Thema „Spanische Nacht“ in den Raum schweben ließen.

Herwig Schaffner

Auf ihren langen Autofahrten quer durch Europa und bis nach Mittelasien und in unzähligen Hotels haben sie viel gesehen und gehört, und sie haben immer wieder ihre Eindrücke zu Noten gemacht. Aus dem weißen Schaf, das in den schottischen Highlands plötzlich auf einem Hügel auftauchte, wurde so der Titel „Wildflower“. Als die beiden Gitarren und dann die Geige bei diesem Stück erklingen, kann man sich fallen lassen und die Augen schließen und sich hineinträumen in das schottische Hochland, irgendwo bei Fort William oder Sterling oder am Loch Ness.

Gut träumen lässt sich auch beim Titel „Café Brazil“. Dabei führt Schaffner mit seiner Geige musikalisch in ein Wiener Kaffeehaus, ehe Aichberger und Weiss mit ihren Gitarren das Publikum in eine brasilianische Nacht holen. Und wieder geht es zurück ins Kaffeehaus und plötzlich versinkt man erneut in der heißen brasilianischen Nacht.

Wiener Charme eben – Georg Aichberger kann die Gitarre auch mit einem Weinglas spielen.

Köstlich auch das Stück „Reblausexpress“, die in Musik umgesetzte Fahrt im gleichnamigen Nostalgiezug zwischen den Retzer Weingärten und dem Waldviertel in Niederösterreich. Geigen und Gitarren geleiten durch eine malerische Landschaft, währen der Mitfahrende sich an einem guten Tropfen laben kann. Wer sein Glas mit Wein von der Pfarrscheune mit in die Kirche gebracht hatte, konnte die Klänge am besten genießen. Die anderen konnten es in der Pause oder am Ende des Konzerts nachholen.

Diese Titel stammen von der jüngsten CD, die das Trio 2023 aufgenommen hat. Insgesamt sind es bislang acht Scheiben mit je einem Dutzend Titeln, die Cobario seit 2007 eingespielt hat. Nicht alles sind eigene Kompositionen. Allerdings mit ihrer eigene Art haben die drei Musiker diverse international bekannte Titel umgesetzt. Antonio Vivaldis Violinkonzerte aus der Sammlung „Die vier Jahreszeiten“ kennen die meisten eher in der Version mit einer großen Orchesterbesetzung. Bei Cobario wird die Violine allein von den beiden Gitarren begleitet und dennoch kommt „Der Sommer“ mit großer Hitze, orkanartigem Wind und gewaltigem Gewitter wunderbar zur Geltung.

Gefeiert – Georg Aichberger, Herweig Schaffner und Peter Weiss.

Zweimal 50 Minuten lang ließ Cobario sein Publikum träumen, auch einmal mitsingen, innehalten, klatschen und jubeln. Am Ende gab es die Ovationen stehend und mit der Vivaldi-Musik die erste Zugabe. Mit dem wiederum eigenen Titel „Nachtflug“ schickten Schaffner, Aichberger und Weiss schließlich ihr Publikum in die laue Sommernacht und auf den Heimweg.

Die Musiker selbst machten sich auf den Weg ins Hotel und am nächsten Tag wieder auf die Fahrt irgendwohin in Europa. Vielleicht führt sie der Weg wieder einmal zurück nach Kitzen. Dem ist das Trio durchaus zugeneigt. „Es war ein wunderbares Publikum“, sagte Schaffner nach dem Konzert. So etwas merke man sich als Musiker. Und Aichberger setzte hinzu: „Beim nächsten Mal müssen wir nicht einmal mehr nachschauen, wo Kitzen liegt.“

Feiner Dixieland

Die Old Fair City Stompers bei ihrem diesjährigen Auftritt in der Kirche Kitzen.
Was für ein tolles Konzert der OLD FAIR CITY STOMPERS! Die ganze Kirche hat mitgeswingt, man könnet auch sagen, die Kirche hat gebebt. Am letzten Juni-Sonntag war die Leipziger Dixielandformation zu Gast beim Kultursonntag des Fördervereins für die Kirche Kitzen. 
Natürlich war es diesmal etwas lauter, kein Wunder bei diesen Instrumenten. Zirka 90 Gäste durften zwei Stunden lang diese Gute-Laune-Musik genießen. Die Band hat sich etwas verjüngt und die Bandbreite ihrer Titel hat sich etwas erweitert. Sie reicht von der Musik der 1930er Jahren bis in die Neuzeit. Jazz, Blues, Swing, alles war dabei. Dieses Konzert ist kaum noch zu toppen. Zum Schluss waren alle glücklich, die Besucher und auch die Bandmitglieder. Das Publikum ist richtig mitgegangen und das haben die Musiker natürlich auch gespürt.
Wir möchten diese Dixielandband bald wieder bei uns haben und dann wenn möglich im Pfarrhof an einem lauen Sommerabend. Beim Auftritt der Stompers war man froh war, die Kühle in der Kirche zu spüren. Außerhalb der Mauern war es vor Hitze kaum auszuhalten.
(Fotos und Text: Karin Weigenand)
Das Konzert war gut besucht.

Traumhafter Part am Cello

Wieder gab es einen wunderbaren Auftritt des Leipziger Symphonieorchesters in der Kitzener Kirche.

Am Schluss gab es stehend Beifall. Die mehr als 70 Besucher in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai waren begeistert vom Auftritt des Leipziger Symphonieorchesters (LSO) am Freitag, dem 16. Mai 2025. Die Veranstaltung des eigentlich Kultursonntag heißenden Programms des Fördervereins musste aus terminlichen Gründen auf einen Freitagabend verlegt werden. Aber beide Seiten, Verein wie Orchester, wollten den Auftritt des Klangkörpers auch in diesem Jahr. Und so kamen die Musikerinnen und Musiker eben an einem Freitagabend nach Kitzen. Durchaus eine Herausforderung für das Orchesters, war es an dem Tag doch bereits der zweite Auftritt.

Robbert van Steijn dirigierte bei dem Konzert.

Wie im vorigen Jahr stand das Konzert unter dem Motto „Wiener Klassik“, aber die ist schier unerschöpflich. Mit der Sinfonie Nr. 30 C-Dur und dem Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur (Alleluja) von Joseph Haydn sowie der Sinfonie Nr. 29 A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart bescherte das LSO dem Kitzener Publikum Neues gegenüber dem vorjährigen Auftritt und einen beschwingten Frühlingsabend. Dirigent Robbert van Steijn führte die Musikerinnen und Musiker zur Höchstleistung, was bei den Besuchern mit viel Beifall honoriert wurde.

Matthias Gagelmann spielte einen fantastischen Part.

Herausragend war der Auftritt von Cellist Matthias Gagelmann im Konzert für Violoncello und Orchester. Gagelmann spielte den Solopart mit traumwandlerischer Sicherheit, was die Zuhörer zu Beifallstürmen hinriss. Das Besondere dieses Konzerts ist, dass es eins von nur zwei Konzerten für Violoncello und Orchester ist, die tatsächlich Haydn zuzuschreiben sind. Wie die Sinfonie Nr. 30 entstand es in der ersten Hälfte der 1760er Jahre. 200 Jahre galt es als verschollen, ehe es laut Wikipedia ein Musikforscher 1961 im Prager Nationalmuseum entdeckte. Hat man das Konzert gehört, ahnt man auch als musikalischer Laie, dass das ein herausragender Fund für die Musikwelt war.

Am Ende wurde stehend Beifall gespendet.

Gagelmann hat seit mehr als 30 Jahren ein Engagement beim LSO, spielt aber auch mit vielen anderen Klangkörpern zusammen. Aus der schwäbischen Provinz stammend führte in sein Weg über das kanadische Toronto, wo er auch einen Teil seines Musikstudiums absolvierte, in den Leipziger Raum. Wie er selbst über sich auf den Internetseiten des LSO schreibt, bekam seine Frau 1992 ein Engagement an der Chemnitzer Oper, was für das Paar mit drei Kindern ausschlaggebend gewesen sei, Sachsen zum Lebens-Mittelpunkt zu machen.

Gespräche am Rande unterm Zeltdach.

Am Rande gab es vor dem Konzert, in der Pause und nach dem letzten verklungenen Ton Gelegenheit zum geselligen Beisammensein und Gesprächen zwischen den Musikfreunden, trotz kühler Temperaturen und ein paar Regentropfen. Mitglieder des Fördervereins hatten Leinwandpavillons aufgebaut, den Grill angeheizt und einen Getränkeausschank eröffnet. Das gab den Besuchern die Möglichkeit zu einem begeisterten Austausch über die soeben gehörten drei Musikstücke. Orchester und Besucher gingen im Übrigen in der Gewissheit auseinander, dass das Leipziger Symphonieorchester auch im nächsten Jahr wieder einen Stopp in Kitzen einlegen wird.

Vereinsmitglieder bereiteten den Besuchern ….
… das Drumherum für einen entspannten Abend.

Orgel im „Anflug“

So sieht die Orgel im Moment aus, die von Thorsten Zimmermann (l.) und Mike Zuber wieder hergerichtet wird.

Im August 2025 könnte es so weit sein. Dann sollte die Kitzener Kirche nach gut einem Jahrzehnt wieder eine Orgel haben. Die beiden Orgelbauer Thorsten Zimmermann aus Halle und Mike Zuber aus Mixdorf in Brandenburg sind in diesen Maitagen dabei, den hölzernen Korpus der Orgel für den Wiedereinbau des Musikinstruments vorzubereiten. Das bedeutet für die beiden Meister erst einmal großes Saubermachen. Nicht nur, dass das Holzgestell und viele Teile, die nicht ausgebaut wurden wie die Pfeifen, im Laufe der Jahre eine ordentlich Staubschicht angesammelt haben. Durch die Sanierungsarbeiten in den Kirche und im Turm liegen auch jede Menge Putzreste und anderes grobkörniges Material darin herum.

Putzen ist für Thorsten Zimmermann erst einmal angesagt.

Ist alles besenrein, müssen als nächstes viele Kleinteile wie die hunderte von Ventilen gereinigt werden. Das ist eine aufwändige und zeitintensive Arbeit. Erst dann können nach und nach die rund 700 Pfeifen wieder eingesetzt werden. Orgelbauer Thorsten Zimmermann rechnet damit, dass das bis Mitte oder Ende Juli dauern wird. Sind die Pfeifen eingebaut, muss noch jede gestimmt werden

Mike Zuber verschafft sich einen Überblick, wie es im Inneren der Holzkonstruktion aussieht.

Die Pfeifen liegen derzeit noch in seiner Werkstatt. Jede einzelne musste in akribischer Handarbeit aufgearbeitet werden. „Das haben wir geschafft“, sagt Zimmermann. Immerhin hat nach seinen Worten allein dieser Teil der Arbeit zwei volle Monate in Anspruch genommen.

Blick auf die Ventile der Orgel, die auch alle gereinigt werden müssen.

Die Orgel ist im Übrigen ein wenig herumgekommen, ehe sie in der Kitzener Kirche zum ersten Mal eingebaut wurde. War bislang immer zu lesen, dass das Instrument von 1913 stammt, so kann Thorsten Zimmermann das korrigieren. Ihm liegt der „Lebenslauf“ der Orgel vor. Demnach wurde sie ursprünglich für die hallesche Garnisonskirche gebaut, und zwar 1902. 1927 wurde sie in einer Kirche in Erfurt installiert. Erst 1937 ist sie dann nach Kitzen umgesetzt worden.

Überall in der Holzkonstruktion liegt Staub und anderer Schmutz.

Gebaut wurde sie vom Zörbiger Orgelbaumeister Wilhelm Rühlmann, der von 1842 bis 1922 gelebt hat und in seiner Jugend beim berühmten Weißenfelser Orgelbauer Friedrich Ladegast in die Lehre gegangen ist. Von Ladegast stammen unter anderem die Orgel in der Leipziger Nikolaikirche, im Merseburger Dom und in der Weißenfelser Marienkirche. Dass die Rühlmannsche Werkstatt einen guten Ruf hatte, zeigt die Tatsache, dass sie zwischen 1869 und 1939 unter Friedrich Rühlmann, Wilhelm Rühlmann und Wilhelm Rühlemann jun. für 460 Neu- und größere Umbauten von Orgeln verantwortlich zeichnete.

Die schwäbische Jungfrau

Carolin Fischer und Enrico Wirth alias Fräulein Fischer und Sven in der Pension zur schwäbischen Jungfrau.

Achtung! Mitdenken! Das ist nun mal beim Kabarettprogramm so. Erst recht, wenn man als Sachse etwas geschwäbelt bekommt. Aber wenigsten sollte man wissen, dass ein hiesiges Haus im Schwäbischen ein Häusle ist. Dann geht der Witz so: Was ist in Schwaben ein kleines, um Hilfe schreiendes Schwein?

Antwort: A Notrufsäule!

Muss man es jetzt noch erklären? Vermutlich nicht, denn die mehr als 120 Besucherinnen und Besucher in der rappelvollen Kitzener Kirche am Sonntag, 27. April, haben es schließlich auch verstanden.

Fräulein Fischer hat am Telefon allerhand zu tun.

Aber warum wird beim Kultursonntag des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai Kitzen plötzlich nicht nur gesächselt, sondern auch geschwäbelt? Weil es Carolin Fischer und Enrico Wirth bei ihrem Programm so wollen. Was sich die Kabarettistin mit Academixer-Vergangenheit ausgedacht hat und für rund 90 Minuten auf die Bühne bringt, heißt: Die Pension zur schwäbischen Jungfrau.

Frau Sturm und Sven.

Allerdings steht die nach der „Flucht“ der Inhaberin aus ihrer schwäbischen Heimat im sächsischen Ottendorf-Okrilla. Im „schönen Ottendorf-Okrilla“ wie Carolin Fischer alias Fräulein Fischer immer wieder betont, wenn sie sich am Rezeptions-Telefon ihrer Pension meldet. Das klingelt vier-, fünfmal, was Fräulein Fischer dazu veranlasst, vielsagend zum Pianisten Sven (Enrico Wirth) zu schauen und zu bemerken, dass „heute ganz schön was los ist“.

Sven soll als Pianist für Unterhaltung in der Pension sorgen. Die hat auch tatsächlich einen Gast, einen Dauergast, nämlich Frau Sturm, in die sich Fräulein Fischer verwandelt, indem sie sich einen Hut aufstülpt und eine Stola umwirft. Frau Sturm ist, wen wunderts, ebenso urkomisch wie Fräulein Fischer. Und Frau Sturm geht auf Kreuzfahrt, um am Nordkap die Asche ihres dahingeschiedenen Gatten in den Wind zu pusten. Dafür teilt sie die Asche in drei Häufchen und pustet sie zu entsprechenden Kommentaren an den Dahingeschiedenen in den Wind. Vor allem der dritte hat es in sich. „40 Jahre wolltest du, dass ich dir einen blase“, spricht sie. Jetzt sei es soweit und sie bläst das dritte Häufchen davon.

Ja, es geht auch ein wenig schlüpfrig zu in der Pension zur schwäbischen Jungfrau, ohne aber zotig zu werden. Das trifft auch auf die Einlagen von Enrico Wirth zu, wenn er als Sven zum Beispiel das Liedchen singt, in dem er sinniert, ob es in sei, sich den Sack zu rasieren und wie man dabei aufpassen müsse.

Volles Haus am Kultursonntag.

Apropos Sven. Ihn hat Fräulein Fischer aufgelesen. „Den hatten sie während der Corona-Pandemie ausgesetzt“, sagt sie. Und gefunden hat sie ihn an der Autobahnraststätte Dresdner Tor an der A 14 und als mitleidige Seele mit ins schöne Ottendorf-Okrilla genommen. Damit er die Gäste unterhalte. Was er natürlich fleißig tut, zumindest in Bezug auf das Auditorium, das sich allenthalben ausschüttet vor Lachen.

Enrico Wirth – seine kabarettistischen Lieder hatten es in sich.

Nicht alles dreht sich ausschließlich um die Pension. Es geht auch ums Leben an sich. Natürlich witzig. Wie hört sich der Hochzeitsantrag eines schwäbischen Bauern an? „Dasch is mei Hof, dasch is mei Vieh, dasch is mei Mutter. Überlegsch dirsch halt!“ Kommt natürlich viel komischer rum, wenn es Fräulein Fischer erzählt.

Die Mutter von Perschilbär.

Ach ja, kurz zu Besuch im Programm ist auch noch die Mutter von Perschilbär. Zumindest nennt sich der Dreijährige so, als ihn die Kindergärtnerin als Neuankömmling nach seinem Namen fragt. Wie, was, nie gehört. Die Mutter, in die sich Carolin Fischer per wasserstoff-blonder Perücke verwandelt, klärt das schließlich auf. Der Kleine heiße Pierre-Gilbert, natürlich französisch gesprochen. Perschilbär eben.

Am Ende gehst du raus aus dem Programm mit ein wenig Schmerzen, nämlich im Zwerchfell vom Lachen. Übrigens, dass die Pension noch nicht so richtig läuft, findet Fräulein Fischer nicht tragisch. „Ich bin schließlich erst drei Jahre am Markt“, sagt sie. Was für Carolin  Fischer viel wichtiger sein dürfte, dass es beim Publikum wie geschmiert lief.

Extra Glückwünsche gab es von der Vereinsvorsitzenden Ingrid Riedel (r.) für Beate Reutter zum Geburtstag. Beate Reutter organisiert die Programme und trifft die Absprachen mit den Künstlern.