Wind weht durch die Pfeifen

Was für ein Anblick! Die Orgel sieht wieder wie eine Orgel aus.

Jedes Mal, wenn Thorsten Zimmermann eine der Orgelpfeifen mit dem Pfeifenfuß in das zuständige Loch gleiten lässt, dann ertönt ein Ton. Denn der Wind, wie die Orgelbauer und Organisten den Luftzug in der Orgelkonstruktion nennen, weht schon wieder durch das große Instrument in der Kitzener Kirche Sankt Nikolai. Am Donnerstag und am Freitag (14. und 15. August) hat der Orgelbauer aus Halle die großen Prospektpfeifen eingesetzt.

Auch wenn die silbrigen Pfeifen da noch blau aussahen, weil sie in schützende Kunststofffolie gehüllt sind, mit ihnen sieht die mehr als 100 Jahre alte Orgel schon wieder wie eine Orgel aus. Die aus 85 Prozent Zinn und 15 Prozent Blei bestehenden Teile sind funkelnagelneu. Rund 18.000 Euro kosten die neuen Pfeifen, was wie die gesamte Orgelsanierung von der Kirchgemeinde mit Hilfe von Fördermitteln und Spenden finanziert wird.

Schwerstarbeit muss Orgelbauer Thorsten Zimmermann beim Einsetzen der großen Prospektpfeifen verrichten.

Das Einsetzen dieser Pfeifen ist für Zimmermann Schwerstarbeit, denn sie wiegen einiges. Die mittlere und größte ist mit einer Länge von rund zweieinhalb Metern gut und gerne 40 Kilogramm schwer. Warum nicht die alten Pfeifen aufgearbeitet und wieder eingesetzt wurden, erklärt der Orgelbauer: „Ursprünglich waren sie aus Zinn und Blei, aber im Verlauf des ersten Weltkriegs wurden an vielen Orgeln in Deutschland die Pfeifen ausgebaut, um sie einzuschmelzen und aus dem Metall Gewehrgeschosse zu gießen.“ Wie Zimmermann weiter berichtet, bekamen die Orgeln als Ersatz Pfeifen aus Zink. Jetzt werden sie vom Material her wieder dem Ursprungszustand angepasst. Die Legierung mit dem hohen Zinnanteil ist wichtig für die Qualität der Tonerzeugung.

Auch wenn nun von außen schon alles wie eine Orgel aussieht und im hinteren Teil der Orgel die großen Holzpfeifen für die Erzeugung der tiefen Töne nach Erneuerung eingebaut wurden, es bleibt immer noch allerhand zu tun. Eine Vielzahl kleinerer Pfeifen muss noch eingebaut werden. Zimmermann ist optimistisch, dass die Arbeit bis Ende August beendet ist.

Der ursprüngliche Spieltisch ist runderneuert worden.

Spätestens am Tag des offenen Denkmals, dem 14. September, soll die Orgel wieder gespielt werden können. Das geschieht dann auch vom komplett erneuerten ursprünglichen Spieltisch aus. Der wurden in der Werkstatt von Mike Zuber aus Mixdorf in Brandenburg aufgearbeitet, mit dem Zimmermann bei der Sanierung von Orgeln häufig zusammenarbeitet.

Auch das Rühlmannsche Firmenschild am Spieltisch glänzt wieder.

Auch wenn die Pfeifen an der Schauseite, dem Prospekt, der Orgel neu sind, das Instrument als solches ist nahe dran am einstigen Original, wie Wilhelm Rühlmann aus Zörbig die Orgel 1902 für die hallesche Garnisonskirche gebaut hat. Dort blieb sie ein Vierteljahrhundert, ehe sie 1927 in einer Erfurter Kirche eingebaut wurde. Nach Kitzen kam das Instrument 1937.

Rühlmann bediente sich damals einer pneumatischen Technik für das Orgelspiel. „Ursprünglich wurden mit den Manuals und Pedals Mechaniken in Bewegung gesetzt“, sagt Zimmermann. Die Pneumatik sei für die damalige Zeit Hightech gewesen und erleichterte den Organisten das Spiel. Aufgrund fortgeschrittener Technologien baue man heutzutage auch wieder mechanische Technik in Orgeln ein.

Die in Kitzen verwendete pneumatische Anlage ist demnach mehr als 100 Jahre alt. „Das Steuergerät stammt wahrscheinlich tatsächlich vom Anfang des 20. Jahrhunderts“, sagt der Orgelbauer. Der unterhalb der Pfeifen liegende Blasebalg, der dem erzeugten Wind als Zwischenspeicher dient, stammt nach Zimmermanns Einschätzung aus den 1920er Jahren und wurde vermutlich einige Jahre späte in die Orgel eingesetzt, als das Instrument nach Kitzen kam.

Blick auf die großen Pfeifen aus Holz, die mit den Pedals am Spieltisch der Orgel gespielt werden und für die Basstöne zuständig sind.