Blues, ohne den Blues zu bekommen

Blues in der Kitzener Kirche.

Traurig, melancholisch und voller Weltschmerz – nichts von alledem bringt die Elsterbluesband aus Leipzig im Konzert herüber. Vielmehr ist es Wärme, Erregung, Begeisterung, Gefühl, was die drei Musiker am Sonntagnachmittag (19. Oktober 2025) bei ihrem Konzert in die Kirche Sankt Nikolai in Kitzen getragen haben. Mit einem Blues ist wohl niemand von den mehr als 100 Besucherinnen und Besuchern nach Hause gegangen.

Auch wenn manche Texte verstörend sein mögen, die Musik vermittelten letztlich Lebensfreude. Bestes Beispiel dafür vielleicht ist der Gospel-Song „Go And Tell a Midnight Rider“ beziehungsweise „God’s Gonna Cut You Down“ (Gott wird dich niedermachen) in der Version von Johnny Cash (1932 bis 2003), die er kurz vor seinem Tod aufgenommen hat. Auch aus diesem düsteren Bild entsteht durch die Musik Hoffnung, die Weltschmerz und Traurigkeit überwindet. Der Elsterbluesband gelingt es genau wie ihren musikalischen Vorbildern dieses Gefühl ins Publikum zu tragen. Zu den ursprünglichen Songschreibern gehört mit Orlandus Wilson (1917 bis 1998) eine Legende des Blues beziehungsweise des Gospel, der bis zu seinem Tod mehr als 60 Jahre lang das Golden Gate Quartett prägte.

Paul Ulrich, Koma Kschentz, Sandrino Scherbaum sind die Elsterbluesband.

Musikalisch wandte sich die Elsterbluesband vor allem – der Name ist schließlich Programm – dem Blues zu beziehungsweise dem Rock. Wobei beide Musikrichtung ja enge Verwandte sind. Da bot es sich förmlich an, sich den Rolling Stones zu widmen, die gleich mit mehreren Titeln vertreten waren. Bei „It’s All Over Now“ machte Sandrino Scherbaum deutlich, wie leidenschaftlich er die Blues-Harp (Mundharmonika) spielen kann, die vor mittlerweile 60 Jahren Stones-Frontmann Mick Jagger einsetzte. Dazu gesellten sich Gesang und Gitarrenspiel von Rik „Paul“ Ulrich und der Schlagzeugeinsatz von Koma Kschentz. Letzterer ist übrigens der Sohn von Peter Kschentz (1941 bis 2005), einem langjährigen Mitglied der DDR-Kult-Band Renft.

Leidenschaftliches Spiel mit der Blues-Harp von Sandrino Scherbaum.

Scherbaum erwies sich nicht nur mit der Blues-Harp als absolut hörenswert, sondern auch beim Einsatz der Slid-Gitarre und der Lap-Steel-Gitarre (Hawaiigitarre). Natürlich wieder bei den Stones-Hits „Little Red Rooster“ und „No Expectations“. Da hatten die Musiker auch längst ihren Frieden mit dem Spielort gemacht. Denn beim Soundcheck in der leeren Kirchen hatte Ulrich noch befürchtet, dass der Hall-Effekt ihrer Musik schaden könnte. Mit einem hundertköpfigen Auditorium im Raum „verhallten“ alle Zweifel.

Nicht weniger leidenschaftlich: Paul Ulrich mit Gitarre und Gesang.

Ulrich, der aus Stralsund stammt, 1985 nach Leipzig kam und sich vor zwölf Jahren mit Scherbaum und Kschentz zur Elsterbluesband zusammenfand, wartete auch mit einem eigenen Bluestitel auf, dessen Entstehungsgeschichte er kurz erzählte. Als Stralsunder Junge sah er lange vor dem Mauerfall auf dem Rügendamm zwischen Dänholm und Altefähr oft die vom Saßnitzer Fährhafen kommenden Schwedenlaster. „Ich stellte mir dann immer vor, wohin sie wohl fahren würden und wie es dort wäre: Griechenland, Italien oder Spanien.“ Aus dem Erleben performte er später den Titel „The Iron Curtain“, der Eiserne Vorhang. Zum Glück seien jene Zeite lange vorbei.

Koma Kschentz beeindruckte das Publikum auch mit einem Schlagzeugsolo.

Wie bei den Stones-Hits setzte die Elsterbluesband auf eine Reihe anderer bekannter und oft gespielter Titel wie „Sixteen Tons“ von Ernie Ford, „Take Me To The River“ von Al Green oder „Undercover Agent For The Blues“ von Tina Turner. Selbst Besucher, die mehr aus Neugier als aus Liebe zu Blues und Rock gekommen waren, gingen mit einem guten Gefühl aus dem Konzert wie im Anschluss bei einem Gläschen Wein in der Pfarrscheune zu hören war.