Stimmgewaltige Operettengala

Anne Wegele überzeugte sowohl bei der Arie des Prinzen Orlowsky aus der Fledermaus als auch bei ihrer Kurt-Weill-Interpretation.

Noch fühlt es sich an, wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Der Unterschied: 363 Euro verdunsten nicht einfach. Sie fließen in die Kasse für die Sanierung und den Wiedereinbau der Orgel in der Kirche Sankt Nikolai Kitzen. Rund 75000 Euro wird es kosten, die Orgel wieder erklingen zu lassen. 50000 Euro davon hat die Kirchengemeinde, die für das Projekt verantwortlich zeichnet, bereits vom Freistaat Sachsen als Förderung zugesagt bekommen. Der Rest muss über Spenden aufgetrieben werden.

Zahlreiche Konzertbesucher fanden den Weg in die Kirche Sankt Nikolai

Die besagten 363 Euro sind der Reinerlös aus den Einnahmen für die Herbstgala der Hochschule für Theater und Musik Leipzig, die Studierende am 22. Oktober in der Kirche beim Kultursonntag des Fördervereins vortrugen. Die Mitglieder der Gesangsklasse von Professorin Ilse-Christine Otto zeigten sich gut geschult, glänzten mit bekannten Operettenmelodien sowie mit einigen mehr oder weniger bekannten Chansons. Begleitet wurden sie am Klavier von Professor Hartmut Hudezeck, der auch für die Einstudierungen gesorgt hatte und sich zudem als kabarettistischer Interpret von Liedern Georg Kreislers (1922 bis 2011) entpuppte. Mit „Eine kleine Gutenachtmusik“, basierend auf der mozartschen Melodie der „Kleinen Nachtmusik“, beschrieb er Eindrücke eines Konzertbesuchs und löste beim Publikum in der gut besuchten Kirche jede Menge Heiterkeit aus.

Bruno Szabo bei seinem Auftritt mit dem Chanson „Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein“

Dafür sorgten auch die jungen Sängerinnen und Sänger mit Liedern aus Johann Strauß` „Die Fledermaus“, Paul Abrahams „Viktoria und ihr Husar“ oder Carl Zellers „Der Vogelhändler“, Franz Lehars „Paganini“ und „Die lustige Witwe“. Zudem gab es Chansons wie „Der Abschiedsbrief“ von Kurt Weill, „Aloisi“ von Hermann Leopoldi oder „Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein“ von Kurt Schwabach.

Mit ihren wunderbaren Stimmen begeisterten die jungen Künstlerinnen und Künstler nicht nur bei ihren Soloauftritten, sondern ebenso als Ensemble.

Auch als Ensemble gaben die Studierenden alles
Leonie Herzog verteilte als Christel von der Post erst einmal „Post“, ehe sie die bekannte Arie aus „Der Vogelhändler“ sang
Markus Haase besang das ungarische Mädel aus „Viktoria und ihr Husar“
Verena Flitsch zeigte sich im Chanson-Fach zu Hause
Hartmut Hudezeck begleitete die Gesangsbeiträge und zeigte sich als kabarettistischer Sänger
„Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“ sang Felicia Brembeck
Fridolin Wissemann mit dem Lied des Paganini „Gern hab´ ich die Frau´n geküsst“
Johanna Ihring bei der Arie „Liebe, du Himmel auf Erden“ aus Paganini

Oper in kurz und zu dritt

Brillant an der Harfe – Kerstin Georgi

Ja, das geht. Die sonst von großen Orchestern und auf großen Bühnen gespielte Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck kann man tatsächlich sehr gut in einer Kurzfassung von rund 15 Minuten und in einer Bearbeitung für drei Instrumente – Harfe, Querflöte und Violine – zu Gehör bringen. „Aber das muss unter uns bleiben, sonst kommt irgendwo in den Städten noch jemand auf die Idee, dass große Orchester gar nicht benötigt werden und man die Kosten sparen kann“, sagte Flötist Sören Glasner lachend, der durch das kurzweilige Konzertprogramm am Vorabend des Tages des offenen Denkmals führte.

Sören Glasner ist im Duo Sphärenklänge der Partner von Kerstin Georgi.

Was er zusammen mit der Harfenistin Kerstin Georgi, die zusammen als „Duo Sphärenklänge“ auftreten, unterstützt vom Violinisten Hartmut Preus mit dieser Opernkurzfassung dem Publikum in der Kirche Sankt Nikolai darbot, war einfach nur romantisch und wunderschön. Zumal ja Humperdinck in die Komposition diverse Volkslieder eingearbeitet hat, die jedermann kennt wie „Schwesterlein, komm tanz mit mir“ oder „Ein Männlein steht im Walde“. Damit erreichten die Künstler sicher auch jene im Publikum, die eher nicht zu den Operngängern zählen.

Hartmut Preuss begleitete mit der Violine.

Für ein solches Konzert bearbeitet hat dieses wie auch die anderen Stücke, die normalerweise von größeren Klangkörpern instrumentiert werden, Karl Heinz Georgi. Der ehemalige Solotrompeter des Leipziger Gewandhauses griff zudem bei verschiedenen Liedern als Begleitung selbst zu seinem Instrument. Besonders beim „Neapolitanischen Tanz“ aus Peter Tschaikowskys Ballett „Schwanensee“ ließ er seine Trompete in schönsten Tönen erklingen.

Karl Heinz Georgi an der Trompete

Ansonsten waren die zu Gehör gebrachten Stücke vor allem auf Harfe und Flöte zugeschnitten. Viele Besucher kannten bis dato die Harfe als eins von vielen Instrumenten innerhalb eines Orchesters. Aber „Sphärenklänge“ stellte dieses Instrumente besonders in den Mittelpunkt. Nicht zuletzt beim „Blumenwalzer“ aus Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“ brillierte Kerstin Georgi förmlich auf den Harfensaiten.  

Alle vier Künstler überzeugten ihr Publikum auch mit den vielen anderen Musikstücken von Offenbach, Puccini, Rubinstein und weiteren bekannten Komponisten. In einer kurzen Konzertpause übergab Karl Heinz Georgi dann aus seinem Besitz ein Barockgemälde mit dem biblischen Motiv „Anbetung der Könige“ eines unbekannten Künstlers als Dauerleihgabe an den Förderverein. Das Bild hat mittlerweile seinen Platz in der Kirche gefunden. Sehr zur Freude auch von Pfarrer Oliver Gebhardt, der bei der Übergabe im Zuschauerraum saß, sichtlich angetan vom neuen Schmuck im Gotteshaus.

Die romantische Stimmung des Kozerts wurde mi der Beleuchtung im Kirchenraum unterstrichen.

Electra bis Santana – ab in die 70er und 80er

Capriccio überzeugte mit seinen Interpretationen von Musiklegenden.

Wie oft ärgert man sich, wenn im Radio tolle Rockballaden erklingen, aber die Rundfunkversion gerade mal 3:30 Minuten lang ist. Das ist eben das Schöne an Livekonzerten, da gibt es die komplette Version, auch wenn sie sechs, sieben oder gar acht Minuten lang ist. Vor allem in der Zugabe von Capriccio beim Konzert in Kitzen am 26. August hatte man gar den Eindruck, als wollten Sängerin Sabine Waszelewski und Gitarrist Klaus-Jürgen Dobeneck „Black Magic Woman“ von Carlos Santana und „Hotel California“ von den Eagles gar nicht enden lassen. Was um 19 Uhr mit dem Karat-Song „König der Welt“ begonnen hatte, endete 22 Uhr mit eben diesen beiden Zugaben. Auch wenn sich Besucher und Künstler zwischendurch noch ein Gläschen Wein holen konnten, allein die Zeitspanne zeigte, das Dessauer Duo spulte nicht einfach ein Song-Nummernprogramm ab, sondern zelebrierte jeden Titel mit großem Engagement. Und die Legenden, von denen sie die Musik seit 15 Jahren spielen, haben genau das verdient.

Sabine Waszelewski

Im ersten Teil ihres Programms waren es Ostrock-Legenden, denen sie sich widmeten. Karat eben mit dem schon erwähnten „König der Welt“, „Der blaue Planet“ und „Blumen aus Eis“ sowie „Albatros“. Jener Titel war zugleich eine Reminiszenz an den im Juni dieses Jahre gestorbenen Komponisten und Karat-Keyboarder Ulrich „Ed“ Swillms. Nahtlos der Übergang zu Veronika Fischer mit „Wenn ich eine Schneeflocke wär´“ und „Auf der Wiese“. Nahtlos schon deshalb, weil sie mit dem früheren Karat-Frontmann Herbert Dreilich und auch Swillms eine gemeinsame Vergangenheit bei der Band Panta Rhei in der ersten Hälfte der 1970er Jahre verbindet. Bevor es in die Pause ging, gab es dann neben Puhdy- und Stern-Meißen-Hits noch zwei legendäre Balladen, die zum Besten des sogenannten Ostrocks gehören: „Nie zuvor“ von Electra und „Am Fenster“ von City. Letzteres ging auch ohne Geige. Dobeneck interpretierte diesen Part mit der Querflöte wunderbar.

Klaus-Jürgen Dobeneck

„Ich versuche Klaus-Jürgen ja immer wieder zu überzeugen, mehr mit der Querflöte zu machen, weil das so toll kling“, sagte Sabine Waszelewski beim Pausenplausch. Und prompt begann Teil zwei mit einem Dobeneckschen Flötensolo. Da muss er sich nicht verstecken, wie später auch sein Flöteneinsatz auf den Spuren von Ian Anderson beim Jethro-Tull-Titel „Locomotive Breath“ zeigte. Der Konzertteil nach der Pause war internationalen Stars gewidmet wie Uriah Heep (Free me), Sutherland Brothers (Arms of Mary), Fleetwood Mac (Dreams) oder Pink Floyd (Another Brick in the Wall) – alles aus den 1970er Jahren. Noch weiter zurück ging es sogar beim Song „Don’t let me be misunderstood“, der in der Version von Nina Simone schon 1964 erklang und mit der Interpretation von Santa Esmeralda in den 1970er Jahren bekannt und später unter anderen von Joe Cocker, Gary Moor, John Legend und Lana del Rey gecovert wurde. Im Grunde hätte Capriccio jeden Titel ihres Programms ans Ende ihrer Playlist setzen können, um reichlich Applaus einzuheimsen. Das Duo tat es mit „Simply the Best“ der unvergessenen Tina Turner und traf den Nerv der zahlreichen Besucher in der Kitzener Kirche, das Waszelewski und Dobeneck ohne die schon erwähnte Zugabe nicht ziehen lassen wollte.

Begeisterter Applaus für Capriccio

Feiner Rock

Was als Duo angekündigt war, entpuppte sich schließlich als Quartett. Daniel Splitt kam am 30. Juli 2023 nicht nur mit Tochter Anouk zum Konzert in die Kirche Sankt Nikolai Kitzen. Er brachte auch die zweite Tochter Liv mit und den Gitarristen Simeon, mit dem er auch beim Leipziger Musikprojekt Aeroplane gemeinsam spielt. In der einmal mehr gut gefüllten Kirche zeigte sich das Publikum begeistert von der rockigen Darbietung der vier Musikerinnen und Musiker.

Simeon, Anouk, Liv und Daniel beim Konzert in der Kirche Kitzen.
Gut besucht war das Konzert von Splitt und Co. Fotos: Alexander Weigenand

Musical-Melodien und ein vergessenes Kleid

Musical-Konzert in der Kitzener Kirche.

Der ein oder andere mag kein großer Musical-Fan sein, aber wenn man einen bunten Strauß von Melodien aus eben diesem Genre angeboten bekommt, dann wundert man sich doch: schau an, alles irgendwie und irgendwann schon mal gehört. Die Magdeburger Sängerin Juliane Schmidt hatte gut gewählt und ein Potpourri aus mehr als 60 Jahren Musical-Geschichte gemischt und am 1. Juli in der Kirche Kitzen dargeboten. Begleitet wurde sie dabei am Klavier von Mari Zacharias.

Juliane Schmidt sang viele bekannte Melodien.

Und da wären wir schon bei einer weiteren Verwunderung. Währen Juliane Schmidt in einem schicken geblümten Kleid auftrat, setzte sich die Pianistin in einem eher alltäglichen Outfit an ihr Instrument. Warum, das machte Juliane Schmidt kurz vor Konzertende publik: Die Pianistin hatte schlicht und ergreifend und versehentlich das schöne Kleid, das sie beim Konzert tragen wollte, am heimischen Kleiderschrank vergessen. Dem Klavierspiel tat es keinen Abbruch und das Publikum äußerte, wohl auch mit dem Gedanken an die eigene Vergesslichkeit, mit warmherzigem Extrabeifall Verständnis.

Doch zurück zum Musikalischen. Als man hierzulande das Musical noch kaum kannte, kam in den 1960er Jahren der Film „My fair Lady“ in die Kinos mit der unvergessenen Audrey Hepburn als Eliza Doolittle und Rex Harrison als Professor Higgins. Im Westen war das Ende 1964, wann genau er in den DDR-Kinos lief, keine Ahnung. Aber als Teenager schloss ich so erstmals Bekanntschaft mit dem Musikgenre, das allerdings schon in den 1920er Jahren in den USA und in England ein fester Bestandteil der Theater war.

Mari Zacharias begleitete am Klavier.

Aber „My fair Lady“, das 1956 auf New Yorker Bühnen seine Premiere hatte, gilt wahrscheinlich auch für viele andere als der Anfang einer langen Bekanntschaft mit dieser Form des Musiktheaters. Also waren Lieder der Eliza Doolittle auch Teil des Programms in Kitzen. Juliane Schmidt hatte sich die Stücke bis zum Schluss aufgehoben, was denn beim Publikum auch als Höhepunkt ankam. Davor machte sie eine weite musikalische Reise von der Oper „Porgy and Bess“ aus den 1930 Jahren über „Sound oft Music“ und „West Side Story“ aus den 1950er Jahren, über die 60er mit „Hello Dolly“, der „Kleine Horrorladen“ aus den 1980er Jahren bis hin zu „Elisabeth“ (Kaiserin Sissy) aus den 1990ern.

Die Besucher erklatschten sich noch eine Zugabe und lauschten schließlich einem Titel aus der schier unendlichen Kette von Erfolgshits der schwedischen Popband „Abba“. Juliane Schmidt wählte aus dem Repertoire der legendären Gruppe „I have a dream“ und sang es aus dem Musical „Mamma Mia“ in der deutschen Fassung „Mich trägt mein Traum“ und kam sozusagen in der Gegenwart an, auch wenn das Stück bereits an der Schwelle zum neuen Jahrtausend seine Premiere hatte.

10000 Euro und die Turmuhr

Scheckübergabe von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Kitzen.

Ein weiterer Schritt zur kompletten Sanierung der Kirche Sankt Nikolai Kitzen ist getan. In der letzten Juniwoche 2023 wurde die Innensanierung des Turms beendet. Der nächste Schritt ist absehbar, wird aber erst im kommenden Jahr gegangen werden können, weil der Förderverein dafür auf Geld aus dem europäischen LEADER-Programm angewiesen ist. Die notwendigen Weichenstellungen werden aber erst im zweiten Halbjahr 2023 zu erwarten sein.

Der Turm muss noch von außen saniert werden.

Ursache ist, dass gerade eine neue Förderperiode für die Jahre bis 2027 beginnt. Und die Erfahrung aus vorangegangenen Förderzyklen besagt, dass mit der Auszahlung des beantragten Geldes gegen Jahresende oder gar erst 2024 zu rechnen ist.Dafür kam jetzt anderes Geld für die Fortsetzung der Sanierung in die Kasse des Fördervereins. Von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gab es am 28. Juni 2023 einen Scheck in Höhe von 10000 Euro. Angelika Dörrscheidt, die ehrenamtliche Leiterin des Ortskuratoriums Leipzig übergab die Geldzusage samt symbolischem Scheck im Großformat an die Vorsitzende des Fördervereins Ingrid Riedel. Dieses Geld soll speziell für die Sanierung der Turmuhr eingesetzt werden, sagte Ingrid Riedel.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist seit Beginn der Sanierungsarbeiten an der Kitzener Kirche eine Partnerin des Vorhabens. „Unter anderem hat sie bereits 2010 die Restaurierung des romanischen Südportals mit 18000 Euro gefördert“, erklärte Ingrid Riedel. Seither unterstützte die Stiftung das Kitzener Projekt Kirchensanierung mit mehreren zehntausend Euro. Die 1985 ins Leben gerufene Stiftung ist die größte private Initiative für Denkmalpflege in Deutschland, heißt es auf ihrer Homepage. Sie steht unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Bundespräsidenten. Bislang habe sie vor allem dank der aktiven Mithilfe und Spenden von mehr als 200000 Förderern 6500 Denkmale mit mehr als einer halben Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen können. Mit der Wiedervereinigung 1990 hat die Stiftung, die damals noch sehr jung war, innerhalb kurzer Zeit auch die Förderung von Baudenkmalen auf dem Gebiet der DDR übernommen, wovon letztlich Kitzen profitiert hat. Mehr zur Stiftung gibt es hier.

Eine Tafel neben dem Südportal gibt neuerdings Auskunft über die institutionellen Untersstützer der Sanierung.

Klappt alles, dann sollte die Kirchensanierung in Kitzen im nächsten Jahr mit der äußerlichen Erneuerung des Turms abgeschlossen werden können. Große Hoffnung gibt es zudem, dass dann auch die 110 Jahre alte Orgel wieder eingebaut werden kann. Sie wurde 1913 von der Orgelbauanstalt Wilhelm Rühlmann aus Zörbig installiert. Die Orgel, die derzeit wegen der Bauarbeiten ausgelagert ist, wieder in Takt zu bringen, hat sich die Kirchgemeinde vorgenommen.

Gestrichen und gezupft

Das Leipziger Symphonieorchster in der Kirche Kitzen.

„Erinnerungen an einen lieben Ort“ hatte Dirigent Sebastian Peter Zippel das Konzert am 21. Mai in der Kirche Kitzen überschrieben, zu dem er mit dem Leipziger Symphonieorchester gekommen war. Und irgendwie ist der Titel sinnbildlich. Denn mittlerweile ist es schon eine Tradition, dass dieser Klangkörper nach Kitzen kommt und sein Publikum findet. „Ich staune immer wieder, wie viele Menschen hier beim Konzert nach Kitzen dabei sind“, sagte ein Besucher, der aus Pegau gekommen war. Vor kurzem sei das Leipziger Symphonieorchester eben in Pegau gewesen, „und ich war enttäuscht, wie wenige Besucher kamen. Hier sind es heute bestimmt dreimal so viele Konzertbesucher“.

Wein hin und Wein her zwischen Ingrid Riedel und Wolfgang Rögner.

Vielleicht liegt das an der sehr familiären Atmosphäre, die die Kultursonntage des Fördervereins für die Kirche Sankt Nikolai auszeichnet. Die wurde bereits deutlich, als der im Sommer scheidende Intendant des Orchesters Wolfgang Rögner nachträglich der Vereinsvorsitzenden Ingrid Riedel zur Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz gratulierte und das mit einer Flasche Wein tat. Dabei wollte sich doch gerade Ingrid Riedel bei Wolfgang Rögner dafür bedanken, dass er seit Jahren Kitzen in das Tourneeprogramm des Orchesters aufnimmt, übrigens mit einer Flasche Wein. Als es am Schluss auch noch eine Flasche Wein vom Verein für den Dirigenten gab, amüsierte sich das Publikum lebhaft über den Flaschenreigen und mancher fragte sich schon, ob das denn immer dieselbe Flasche war, die da hin und her gereicht wurde. Nein, nein! Aus sicherer Quelle war zu erfahren, dass es jeweils eine ganz andere war.

Sebastian Peter Zippel führte das Orchster wunderbar und als Moderator durch das Programm.

Für das Konzert hatte Sebastian Peter Zippel Musik aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert gemischt und dazu noch ein Stück aus einem Jahrhundert früher von Johann Sebastian Bach gepackt. Den Auftakt gab das Orchester mit einer Komposition von Jean Sibelius (1865 – 1957) „Andante festivo“ für Streichorchester, gefolgt vom Konzert für Waldhorn und Orchester von Richard Strauss (1864 – 1949). Als Solohornist trat Matthias Bartholomäus auf, der just an diesem Tag vom Orchester in den Ruhestand verabschiedet wurde. Dafür gab es einen Extraapplaus des begeisterten Publikums. Weiter ging es mit dem Air, eine besondere Art des Liedes, das Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) als 2. Satz seiner 3. Orchestersuite nutzte. Das Siegfried-Idyll für Kammerorchester von Richard Wagner (1813 – 1883), das der Komponist seiner Frau Cosima gewidmet hatte, beschloss den ersten Teil des Programms.

Solohornist Matthias Bartholomäus.

Nach der Pause verkleinerte sich der Klangkörper auf ein reines Streichorchester. Mit den drei Sätzen Allegro piacevole, Larghetto und Allegretto der Serenade für Streicher sowie dem Stück „Salut d’amour“ setzten Kompositionen von Edward Elgar (1857 – 1934) den Rahme für den zweiten Teil des Konzerts. Dazwischen boten die Musiker die Serenade g-Moll für Streichorchester von Vasily Kalinnikov (1866 – 1901) sowie die von den Streichern gezupfte Pizzicato-Polka von Johann Strauß Sohn (1825 – 1893) und Josef Strauß (1827 – 1870). Wie schon bei der Uraufführung 1869 kam das Stück auch beim Kitzener Publikum sehr gut an, so dass nach dem langen Schlussbeifall die Zugabe mit der ebenfalls gezupften Neuen Pizzicato-Polka von Johann Strauß ebenso freudig aufgenommen wurde.

Mit dem Versprechen, dass es nicht das letzte Konzert des Leipziger Symphonieorchesters in Kitzen gewesen sein sollte, verabschiedeten sich Publikum und Musiker bei einem Gläschen Wein aus wiederum ganz anderen Flaschen voneinander.

Nach der Pause hatten die Streicher das Sagen.

Die Orgel im Kofferraum

Hans Christoph Becker-Foss an der Truhenorgel, Gotthold Schwarz (Gesang)

Es wird noch eine Weile dauern, ehe die 110 Jahre alte Orgel von der Hand des Zörbiger Orgelbaumeisters Wilhelm Rühlmann wieder in der Kirche Sankt Nikolai Kitzen erklingen kann. Einerseits muss die Turmsanierung abgeschlossen sein, andererseits die im Moment ausgelagerte Orgel wieder in Takt gebracht werden. Dafür wird derzeit von der Kirchgemeinde Geld gesammelt, unter anderem mit einem schön organisierten Spendenlauf am 18. Mai. 

Doch auf Orgelklänge muss deshalb nicht zwangsläufig verzichtet werden, wie ein abendliches Konzert am 13. Mai bewies, das vom Organisten Hans Christoph Becker-Foss und vom Sänger Gotthold Schwarz bestritten wurde. Beide haben sich vor allem der Musik des Barock verschrieben. Becker-Foss, der in Hameln zu Hause ist, packte sein zweiteiliges Instrument, eine Truhenorgel, in seinen Kombi und brachte sie mit. Nach dem Motto „vier Mann, vier Ecken“ wurde die Orgel in die Kirche gebracht und aufgestellt. Egal ob als Begleitung für den Gesang von Schwarz oder bei Solostücken, Becker-Foss erfüllte nach Jahren wieder einmal die Kirche mit Orgelklang.

Hans Christoph Becker-Foss

Wäre es nicht einfacher, anstatt des schätzungsweise 100 Kilogramm schweren und zudem für einen Autotransport recht sperrigen Instruments, ein elektronisches Keyboard zu verwenden? Keinesfalls, meinte der Organist entrüstet, er wolle einen natürlichen Klang bieten und keinen synthetischen. Und wenn man es recht überlegt, kommt man auch als Laie zu dem Schluss, dass der Klang von echten Orgelpfeifen hervorragend zum Bariton von Schwarz passte.

Gotthold Schwarz

Schwarz und Becker-Foss hatten ihr Konzert unter das Thema „Dona nobis pacem“ – Gib uns Frieden gestellt, und begannen mit Musik von einem der berühmtesten Barock-Komponisten, der alljährlich unter anderem gar nicht weit von hier in Weißenfels geehrt und gefeiert wird: Heinrich Schütz (1585 – 1672). Der in Köstritz geborene Musiker wirkte unter anderem am Dresdner und am Kopenhagener Hof und verbrachte seine späten Jahre als bis zuletzt produktiver Komponist in Weißenfels. Sein einstiges Wohnhaus dort ist heute ein Museum und Weißenfels einer der Veranstaltungsorte des jährlichen Heinrich-Schütz-Musikfestes, dessen nächste Auflage vom 6. bis 15. Oktober 2023 stattfindet (www.schuetz-musikfest.de).

Es folgten barocke Lieder unter anderem von Nicolaus Hasse (1617 – 1672), Johann Hermann Schein (1586 – 1630), Joachim Neander (1650 – 1680), Sebastian de Brossard (1644 – 1730), Georg Philipp Telemann (1681 – 1767). Den Abschluss fand das Konzert mit einer Pasticcio (Zusammenstellung) aus zwei Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) aus dem Jahre 1726, wunderbar gesungen von einem seiner Nachfolger in der Funktion des Leipziger Thomaskantors, eben Gotthold Schwarz.

Das „F“ hängt

Heike Ronniger, Carolin Fischer, Enrico Wirth (v.r.) beim Auftritt in Sankt Nikolai.

Wenn es gut gemacht ist, dann darf es im Kabarett auch gern einmal unter die Gürtellinie gehen. Zum Beispiel dann, wenn gefragt wird, was denn ein Spiegeleierbauch sei. Wer am 30. April beim kabarettistischen Auftritt von Carolin Fischer, Heike Ronniger und Enrico Wirth beim Kultursonntag des Fördervereins für die Kirche Sank Nikolai Kitzen dabei war, weiß jetzt Bescheid. Wer nicht dabei war und auch die Antwort nicht kennt, der muss wohl oder übel jetzt Google bemühen. Es ließe sich zwar auch erklären, aber das macht keinen Spaß.

Ein volles Haus gab es beim Kabarettauftritt.

Definitiv haben er oder sie, die nicht dabei waren, eine Menge verpasst, abgesehen davon, dass eigentlich gar keine Besucherinnen und Besucher mehr in die Kirche gepasst haben. 158 zahlende Gäste waren dabei, mehr geht nicht. Schon in weiser Voraussicht waren zusätzliche Stühle aus dem Kulturhaus geholt worden. Letztlich wurden noch Sitzgelegenheiten aus dem Gemeindesaal herbeigeschafft, damit keiner vor der Tür stehen bleiben musste.

Heike Ronniger

Die drei vom Kabarett haben eines gemeinsam. Allesamt haben sie eine Vergangenheit beim Leipziger Kabarett „Academixer“. Was wohl letztlich die Anziehungskraft ausgemacht hat, zumal man gutes Kabarett nicht alle Tage für 15 Euro Eintritt zu sehen und zu hören bekommt. Fischer, Ronniger und Wirth gehen seit geraumer Zeit gemeinsam auf Tour. „Wir verstehen uns als neues Kabarett“, sagte Carolin Fischer. Name? „Die drei lustigen Vier“, setzte sie auf die Frage hinzu.  

Carolin Fischer alias Yussuf

Es ging eigentlich um alles wie Fitness-Training für Bauch, Beine und Po, Kochen ohne Kalorien. Ebenso vergnüglich war Carolin Fischers Auftritt als Handwerker Yussuf von Yussuf&Yussuf GbR. „Es gibt zwar nur einen Yussuf, aber Yussuf&Yussuf GbR klingt besser“, sagte Yussuf.

Das F hängt.

Und so jagte dann zwei Stunden lang ein Zwerchfellangriff den anderen. Zum Beispiel bei der Sache mit der Schreibmaschine. „Das F hängt, was kann man da machen?“ fragte Fischer. Und Ronniger wundert sich über das Gerät, das keinen Monitor hat und keinen USB-Anschluss oder eine Enter-Taste. Sie solle sich doch einen neuen Computer kaufen, weil man damit doch so viele Dinge machen kann.  Aber Fischer bügelt alles ab mit den Worte: „Das brauche ich nicht, ich habe doch meine Schreibmaschine.“ Auch wenn das F hängt.

Enrico Wirth

Und wenn die beiden Damen zwischen ihren Wortschwallen und urkomischen Mimiken Atempause brauchten, sprang Enrico Wirth in die Bresche. Aber nicht als Überbrückungsmusiker sondern mit hintergründigen kabarettistischen Liedern. Köstlich jenes vom Ehepaar, das nach dem Urlaub in Bulgarien im Taxi vom Flughafen nach Hause fährt. Der Taxifahrer erzählt von eigenen Urlaubserlebnissen und immer wieder fragt sie: „Was er gerade gesagt hat.“ Zunehmend genervt wiederholt ihr Mann. Schließlich heißt es im Liedtext, dass der Taxifahrer sagt, in Sofia habe er einmal mit einer Frau schlechten Geschlechtsverkehr gehabt. „Was hat er gesagt?“ fragt sie wieder. Und so gar nicht genervt sagt ihr Mann: „Er sprach gerade von dir!“.

Wie gesagt, ein wenig unter die Gürtellinie darf es schon mal gehen, wenn es gut gemacht ist. Fischer, Ronniger, Wirth haben es einfach mal richtig gut gemacht.