10000 Euro und die Turmuhr

Scheckübergabe von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Kitzen.

Ein weiterer Schritt zur kompletten Sanierung der Kirche Sankt Nikolai Kitzen ist getan. In der letzten Juniwoche 2023 wurde die Innensanierung des Turms beendet. Der nächste Schritt ist absehbar, wird aber erst im kommenden Jahr gegangen werden können, weil der Förderverein dafür auf Geld aus dem europäischen LEADER-Programm angewiesen ist. Die notwendigen Weichenstellungen werden aber erst im zweiten Halbjahr 2023 zu erwarten sein.

Der Turm muss noch von außen saniert werden.

Ursache ist, dass gerade eine neue Förderperiode für die Jahre bis 2027 beginnt. Und die Erfahrung aus vorangegangenen Förderzyklen besagt, dass mit der Auszahlung des beantragten Geldes gegen Jahresende oder gar erst 2024 zu rechnen ist.Dafür kam jetzt anderes Geld für die Fortsetzung der Sanierung in die Kasse des Fördervereins. Von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gab es am 28. Juni 2023 einen Scheck in Höhe von 10000 Euro. Angelika Dörrscheidt, die ehrenamtliche Leiterin des Ortskuratoriums Leipzig übergab die Geldzusage samt symbolischem Scheck im Großformat an die Vorsitzende des Fördervereins Ingrid Riedel. Dieses Geld soll speziell für die Sanierung der Turmuhr eingesetzt werden, sagte Ingrid Riedel.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist seit Beginn der Sanierungsarbeiten an der Kitzener Kirche eine Partnerin des Vorhabens. „Unter anderem hat sie bereits 2010 die Restaurierung des romanischen Südportals mit 18000 Euro gefördert“, erklärte Ingrid Riedel. Seither unterstützte die Stiftung das Kitzener Projekt Kirchensanierung mit mehreren zehntausend Euro. Die 1985 ins Leben gerufene Stiftung ist die größte private Initiative für Denkmalpflege in Deutschland, heißt es auf ihrer Homepage. Sie steht unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Bundespräsidenten. Bislang habe sie vor allem dank der aktiven Mithilfe und Spenden von mehr als 200000 Förderern 6500 Denkmale mit mehr als einer halben Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen können. Mit der Wiedervereinigung 1990 hat die Stiftung, die damals noch sehr jung war, innerhalb kurzer Zeit auch die Förderung von Baudenkmalen auf dem Gebiet der DDR übernommen, wovon letztlich Kitzen profitiert hat. Mehr zur Stiftung gibt es hier.

Eine Tafel neben dem Südportal gibt neuerdings Auskunft über die institutionellen Untersstützer der Sanierung.

Klappt alles, dann sollte die Kirchensanierung in Kitzen im nächsten Jahr mit der äußerlichen Erneuerung des Turms abgeschlossen werden können. Große Hoffnung gibt es zudem, dass dann auch die 110 Jahre alte Orgel wieder eingebaut werden kann. Sie wurde 1913 von der Orgelbauanstalt Wilhelm Rühlmann aus Zörbig installiert. Die Orgel, die derzeit wegen der Bauarbeiten ausgelagert ist, wieder in Takt zu bringen, hat sich die Kirchgemeinde vorgenommen.

Gestrichen und gezupft

Das Leipziger Symphonieorchster in der Kirche Kitzen.

„Erinnerungen an einen lieben Ort“ hatte Dirigent Sebastian Peter Zippel das Konzert am 21. Mai in der Kirche Kitzen überschrieben, zu dem er mit dem Leipziger Symphonieorchester gekommen war. Und irgendwie ist der Titel sinnbildlich. Denn mittlerweile ist es schon eine Tradition, dass dieser Klangkörper nach Kitzen kommt und sein Publikum findet. „Ich staune immer wieder, wie viele Menschen hier beim Konzert nach Kitzen dabei sind“, sagte ein Besucher, der aus Pegau gekommen war. Vor kurzem sei das Leipziger Symphonieorchester eben in Pegau gewesen, „und ich war enttäuscht, wie wenige Besucher kamen. Hier sind es heute bestimmt dreimal so viele Konzertbesucher“.

Wein hin und Wein her zwischen Ingrid Riedel und Wolfgang Rögner.

Vielleicht liegt das an der sehr familiären Atmosphäre, die die Kultursonntage des Fördervereins für die Kirche Sankt Nikolai auszeichnet. Die wurde bereits deutlich, als der im Sommer scheidende Intendant des Orchesters Wolfgang Rögner nachträglich der Vereinsvorsitzenden Ingrid Riedel zur Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz gratulierte und das mit einer Flasche Wein tat. Dabei wollte sich doch gerade Ingrid Riedel bei Wolfgang Rögner dafür bedanken, dass er seit Jahren Kitzen in das Tourneeprogramm des Orchesters aufnimmt, übrigens mit einer Flasche Wein. Als es am Schluss auch noch eine Flasche Wein vom Verein für den Dirigenten gab, amüsierte sich das Publikum lebhaft über den Flaschenreigen und mancher fragte sich schon, ob das denn immer dieselbe Flasche war, die da hin und her gereicht wurde. Nein, nein! Aus sicherer Quelle war zu erfahren, dass es jeweils eine ganz andere war.

Sebastian Peter Zippel führte das Orchster wunderbar und als Moderator durch das Programm.

Für das Konzert hatte Sebastian Peter Zippel Musik aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert gemischt und dazu noch ein Stück aus einem Jahrhundert früher von Johann Sebastian Bach gepackt. Den Auftakt gab das Orchester mit einer Komposition von Jean Sibelius (1865 – 1957) „Andante festivo“ für Streichorchester, gefolgt vom Konzert für Waldhorn und Orchester von Richard Strauss (1864 – 1949). Als Solohornist trat Matthias Bartholomäus auf, der just an diesem Tag vom Orchester in den Ruhestand verabschiedet wurde. Dafür gab es einen Extraapplaus des begeisterten Publikums. Weiter ging es mit dem Air, eine besondere Art des Liedes, das Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) als 2. Satz seiner 3. Orchestersuite nutzte. Das Siegfried-Idyll für Kammerorchester von Richard Wagner (1813 – 1883), das der Komponist seiner Frau Cosima gewidmet hatte, beschloss den ersten Teil des Programms.

Solohornist Matthias Bartholomäus.

Nach der Pause verkleinerte sich der Klangkörper auf ein reines Streichorchester. Mit den drei Sätzen Allegro piacevole, Larghetto und Allegretto der Serenade für Streicher sowie dem Stück „Salut d’amour“ setzten Kompositionen von Edward Elgar (1857 – 1934) den Rahme für den zweiten Teil des Konzerts. Dazwischen boten die Musiker die Serenade g-Moll für Streichorchester von Vasily Kalinnikov (1866 – 1901) sowie die von den Streichern gezupfte Pizzicato-Polka von Johann Strauß Sohn (1825 – 1893) und Josef Strauß (1827 – 1870). Wie schon bei der Uraufführung 1869 kam das Stück auch beim Kitzener Publikum sehr gut an, so dass nach dem langen Schlussbeifall die Zugabe mit der ebenfalls gezupften Neuen Pizzicato-Polka von Johann Strauß ebenso freudig aufgenommen wurde.

Mit dem Versprechen, dass es nicht das letzte Konzert des Leipziger Symphonieorchesters in Kitzen gewesen sein sollte, verabschiedeten sich Publikum und Musiker bei einem Gläschen Wein aus wiederum ganz anderen Flaschen voneinander.

Nach der Pause hatten die Streicher das Sagen.

Die Orgel im Kofferraum

Hans Christoph Becker-Foss an der Truhenorgel, Gotthold Schwarz (Gesang)

Es wird noch eine Weile dauern, ehe die 110 Jahre alte Orgel von der Hand des Zörbiger Orgelbaumeisters Wilhelm Rühlmann wieder in der Kirche Sankt Nikolai Kitzen erklingen kann. Einerseits muss die Turmsanierung abgeschlossen sein, andererseits die im Moment ausgelagerte Orgel wieder in Takt gebracht werden. Dafür wird derzeit von der Kirchgemeinde Geld gesammelt, unter anderem mit einem schön organisierten Spendenlauf am 18. Mai. 

Doch auf Orgelklänge muss deshalb nicht zwangsläufig verzichtet werden, wie ein abendliches Konzert am 13. Mai bewies, das vom Organisten Hans Christoph Becker-Foss und vom Sänger Gotthold Schwarz bestritten wurde. Beide haben sich vor allem der Musik des Barock verschrieben. Becker-Foss, der in Hameln zu Hause ist, packte sein zweiteiliges Instrument, eine Truhenorgel, in seinen Kombi und brachte sie mit. Nach dem Motto „vier Mann, vier Ecken“ wurde die Orgel in die Kirche gebracht und aufgestellt. Egal ob als Begleitung für den Gesang von Schwarz oder bei Solostücken, Becker-Foss erfüllte nach Jahren wieder einmal die Kirche mit Orgelklang.

Hans Christoph Becker-Foss

Wäre es nicht einfacher, anstatt des schätzungsweise 100 Kilogramm schweren und zudem für einen Autotransport recht sperrigen Instruments, ein elektronisches Keyboard zu verwenden? Keinesfalls, meinte der Organist entrüstet, er wolle einen natürlichen Klang bieten und keinen synthetischen. Und wenn man es recht überlegt, kommt man auch als Laie zu dem Schluss, dass der Klang von echten Orgelpfeifen hervorragend zum Bariton von Schwarz passte.

Gotthold Schwarz

Schwarz und Becker-Foss hatten ihr Konzert unter das Thema „Dona nobis pacem“ – Gib uns Frieden gestellt, und begannen mit Musik von einem der berühmtesten Barock-Komponisten, der alljährlich unter anderem gar nicht weit von hier in Weißenfels geehrt und gefeiert wird: Heinrich Schütz (1585 – 1672). Der in Köstritz geborene Musiker wirkte unter anderem am Dresdner und am Kopenhagener Hof und verbrachte seine späten Jahre als bis zuletzt produktiver Komponist in Weißenfels. Sein einstiges Wohnhaus dort ist heute ein Museum und Weißenfels einer der Veranstaltungsorte des jährlichen Heinrich-Schütz-Musikfestes, dessen nächste Auflage vom 6. bis 15. Oktober 2023 stattfindet (www.schuetz-musikfest.de).

Es folgten barocke Lieder unter anderem von Nicolaus Hasse (1617 – 1672), Johann Hermann Schein (1586 – 1630), Joachim Neander (1650 – 1680), Sebastian de Brossard (1644 – 1730), Georg Philipp Telemann (1681 – 1767). Den Abschluss fand das Konzert mit einer Pasticcio (Zusammenstellung) aus zwei Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) aus dem Jahre 1726, wunderbar gesungen von einem seiner Nachfolger in der Funktion des Leipziger Thomaskantors, eben Gotthold Schwarz.

Das „F“ hängt

Heike Ronniger, Carolin Fischer, Enrico Wirth (v.r.) beim Auftritt in Sankt Nikolai.

Wenn es gut gemacht ist, dann darf es im Kabarett auch gern einmal unter die Gürtellinie gehen. Zum Beispiel dann, wenn gefragt wird, was denn ein Spiegeleierbauch sei. Wer am 30. April beim kabarettistischen Auftritt von Carolin Fischer, Heike Ronniger und Enrico Wirth beim Kultursonntag des Fördervereins für die Kirche Sank Nikolai Kitzen dabei war, weiß jetzt Bescheid. Wer nicht dabei war und auch die Antwort nicht kennt, der muss wohl oder übel jetzt Google bemühen. Es ließe sich zwar auch erklären, aber das macht keinen Spaß.

Ein volles Haus gab es beim Kabarettauftritt.

Definitiv haben er oder sie, die nicht dabei waren, eine Menge verpasst, abgesehen davon, dass eigentlich gar keine Besucherinnen und Besucher mehr in die Kirche gepasst haben. 158 zahlende Gäste waren dabei, mehr geht nicht. Schon in weiser Voraussicht waren zusätzliche Stühle aus dem Kulturhaus geholt worden. Letztlich wurden noch Sitzgelegenheiten aus dem Gemeindesaal herbeigeschafft, damit keiner vor der Tür stehen bleiben musste.

Heike Ronniger

Die drei vom Kabarett haben eines gemeinsam. Allesamt haben sie eine Vergangenheit beim Leipziger Kabarett „Academixer“. Was wohl letztlich die Anziehungskraft ausgemacht hat, zumal man gutes Kabarett nicht alle Tage für 15 Euro Eintritt zu sehen und zu hören bekommt. Fischer, Ronniger und Wirth gehen seit geraumer Zeit gemeinsam auf Tour. „Wir verstehen uns als neues Kabarett“, sagte Carolin Fischer. Name? „Die drei lustigen Vier“, setzte sie auf die Frage hinzu.  

Carolin Fischer alias Yussuf

Es ging eigentlich um alles wie Fitness-Training für Bauch, Beine und Po, Kochen ohne Kalorien. Ebenso vergnüglich war Carolin Fischers Auftritt als Handwerker Yussuf von Yussuf&Yussuf GbR. „Es gibt zwar nur einen Yussuf, aber Yussuf&Yussuf GbR klingt besser“, sagte Yussuf.

Das F hängt.

Und so jagte dann zwei Stunden lang ein Zwerchfellangriff den anderen. Zum Beispiel bei der Sache mit der Schreibmaschine. „Das F hängt, was kann man da machen?“ fragte Fischer. Und Ronniger wundert sich über das Gerät, das keinen Monitor hat und keinen USB-Anschluss oder eine Enter-Taste. Sie solle sich doch einen neuen Computer kaufen, weil man damit doch so viele Dinge machen kann.  Aber Fischer bügelt alles ab mit den Worte: „Das brauche ich nicht, ich habe doch meine Schreibmaschine.“ Auch wenn das F hängt.

Enrico Wirth

Und wenn die beiden Damen zwischen ihren Wortschwallen und urkomischen Mimiken Atempause brauchten, sprang Enrico Wirth in die Bresche. Aber nicht als Überbrückungsmusiker sondern mit hintergründigen kabarettistischen Liedern. Köstlich jenes vom Ehepaar, das nach dem Urlaub in Bulgarien im Taxi vom Flughafen nach Hause fährt. Der Taxifahrer erzählt von eigenen Urlaubserlebnissen und immer wieder fragt sie: „Was er gerade gesagt hat.“ Zunehmend genervt wiederholt ihr Mann. Schließlich heißt es im Liedtext, dass der Taxifahrer sagt, in Sofia habe er einmal mit einer Frau schlechten Geschlechtsverkehr gehabt. „Was hat er gesagt?“ fragt sie wieder. Und so gar nicht genervt sagt ihr Mann: „Er sprach gerade von dir!“.

Wie gesagt, ein wenig unter die Gürtellinie darf es schon mal gehen, wenn es gut gemacht ist. Fischer, Ronniger, Wirth haben es einfach mal richtig gut gemacht.

Bundesverdienstkreuz für Ingrid Riedel

Ingrid Riedel präsentiert ihre Auszeichnung.

Kitzen hat seit Sonnabend, dem 22. April 2023, eine Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer überreichte die Auszeichnung im Namen des Bundespräsidenten an Dr. Ingrid Riedel. Damit wird das Engagement der Vorsitzenden des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai gebührend gewürdigt.

Ingrid Riedel, die mit ihrem Mann Siegwald Bilesch 1996 nach Kitzen gezogen ist, zeichnet nicht nur für die Sanierung der Kirche verantwortlich, sondern initiierte und initiiert parallel jedes Jahr ein Dutzend Kulturveranstaltungen und engagiert sich bei der Seniorenbetreuung sowie bei den Landfrauen.

Auch wenn Sie einigermaßen sprachlos war, als sie die Einladung zur Ehrung in der Dresdner Staatskanzlei erhielt – dass sie sich diese Auszeichnung redlich verdient hat, steht außer Frage. Ohne ihren Einsatz und den von Siegwald Bilesch stünde die Kirche heute vermutlich weder für Gottesdienste noch für die Vielzahl kultureller Veranstaltung zur Verfügung.

Nach der Auszeichnung in der sächsischen Staatskanzlei: Ingrid Riedel (3.v.l.) und Siegewald Bilesch (2.v.l.) im Kreise von Familienmitgliedern sowie Ministerpräsident Michael Kretschmer (4.v.l.) und Pegaus Bürgermeister Frank Rösel (4.v.r.). Foto: Privat

„Nachdem wir in Kitzen gebaut hatten und eingezogen waren, stand für uns fest, dass wir uns im Ort ehrenamtlich einbringen wollen, wenn wir mal weniger Arbeit haben“, erinnert sich Ingrid Riedel. Einen konkreten Zeitpunkt dafür hatte sie damals aber noch nicht ins Auge gefasst. Der sollte schneller kommen als gedacht, noch bevor sie und ihr Mann wirklich weniger Arbeit im Beruf hatten. „Wir waren 2007 in der Kirche und ziemlich erschrocken und entsetzt über den damaligen baulichen Zustand. Da wir noch kein Projekt für unser geplantes Ehrenamt hatten, entstand die Idee, dass wir uns der Kirche annehmen könnten“, erzählt Ingrid Riedel.

Das war genau zu dem Zeitpunkt, als seitens des Bauordnungsamtes eine Begehung der Kirche geplant war, die mit Sicherheit zu einer Schließung des Gotteshauses wegen Baufälligkeit geführt hätte. „Wir wurden von der Kirchgemeinde gebeten, an der Begehung teilzunehmen und haben das auch getan.“ Die Absicht des Ehepaars, sich der Kirche anzunehmen, verhinderte die Schließung.

Es sollten aber noch einmal drei Jahre vergehen, ehe mit der Sanierung begonnen werden konnte. „Wir hatten ja mit einem solchen Projekt keinerlei Erfahrung.“ Nach und nach gab es jede Menge Erkenntnisgewinne: dass man einen Verein braucht; wie man an Spenden kommt; dass Eigenkapital benötigt wird und wie das zusammenkommen kann (unter anderem aus Einnahmen aus Kulturveranstaltungen und privaten Spenden). Eine der größten Hürden war seinerzeit, dass der Verein aus Sicht des Freistaates Sachsen, der die damals eigentümerlose Kirche in seinem Bestand führte, nicht der neue Eigentümer werden konnte. Aber ohne den Besitz der Kirche, war es aussichtslos Fördermittel zu bekommen. Die rettende Idee war die Gründung einer Stiftung, für die der Verein als Treuhänder fungieren konnte.

Nun, 13 Jahre später, präsentiert sich die Kirche in einem ausgezeichneten Zustand. Und die Sanierung des Turms als Abschluss des Gesamtvorhabens hat begonnen. Die Kirche dient wieder ihrem eigentlichen Zweck und als Ort vieler kultureller Veranstaltung. Damit ist sie zu einer Begegnungsstätte im Ort geworden, in der Menschen aus Kitzen und der Umgebung zusammenkommen, unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht.

Allerdings hat auch die Sanierung dazu beigetragen, dass viele Menschen näher zusammengerückt sind. Einerseits ist das der „harte Kern“ im Verein und seinem unmittelbaren Umfeld. Rund 100 Frauen und Männer sind regelmäßig dabei und unterstützen sowohl die Sanierungsarbeiten als auch die Gestaltung der Kultursonntage (oder auch -sonnabende). Die Zahl derjenigen, die entweder direkt mit ihren Spenden und Zustiftungen oder als Besucher der Veranstaltungen mit ihrem Ticketkauf indirekt die Sanierung unterstützen, muss man mittlerweile nach ein paar Tausend rechnen. Auch das ist ein Erfolg, den sich Ingrid Riedel auf die Fahne schreiben kann.

Spenden und Gucken

Mit Hilfe des aufgedruckten OR-Codes können Filme über Kitzen von der Plattform Youtube geladen werden. Die Karten haben unterschiedlichen Spendenwert.

Mit einer neuen Idee für die Sammlung von Spenden für die Sanierung des Turms der Kirche Sankt Nikolai Kitzen wartet der Förderverein auf. Am 30. April im Rahmen des Kabarettauftritts können Spendenwillige Karten gegen eine Spende erwerben, die einen QR-Code aufgedruckt haben, mit dessen Hilfe kleine Filme via Youtube geladen werden können. Diese Videos erzählen von verschiedenen Vereinen und Unternehmen im Ort. Initiiert haben das die Kitzener Liane und Steffen Lehmann, die ja bereits Filme über die Arbeit des Fördervereins sowie zur Sanierung der Kirche gedreht haben. Unter anderen sind jetzt Videos zum Radsport in Kitzen, über die Genossenschaft Agrarprodukte Kitzen sowie über den Kaninchenzüchterverein entstanden. Der komplette Erlös dieser Aktion kommt der Turmsanierung zugute.

Neues Holz im Turm

Jede Menge Holz musste im Turm erneuert werden und die Arbeiten sind noch nicht beendet.

Wenn sich am 30. April die Kitzener Kirche wieder für die Besucher der nächsten Kulturveranstaltung öffnet, wird nicht viel zu sehen sein vom Fortgang der Sanierung. Die Besucher des Kabarettauftritts von Carolin Fischer und Heike Ronniger können nur ahnen, dass es Fortschritte gibt. Um etwas zu sehen, müssten sie einen Blick durch die verschlossene Tür zum Turmaufgang werfen können. Denn dahinter sieht man jede Menge neues Holz. Doch der Anblick ist nicht übermäßig spektakulär, obwohl bereits eine Menge Arbeit hineingesteckt wurde.

Bereits im November des vorigen Jahres haben die Tätigkeiten begonnen. Die ersten Handwerker im Turm waren die Putzer, die aber wegen der jahreszeittypischen sinkenden Temperaturen nicht lange arbeiten konnten. Wenigstens konnten die Zimmerleute hinein, um damit zu beginnen, große Teile der Holzkonstruktion des Turms zu erneuern. Während die Putzer witterungsbedingt auf ihren nächsten Auftritt warten mussten, sollten die Zimmerer ab Januar weiterarbeiten. „Aber die Firma hat wegen diverser Krankheitsfälle absagen müssen“, berichtet die Vorsitzende des Fördervereins von Sankt Nikolai Ingrid Riedel. Die steigenden Außentemperaturen gaben Hoffnung, dass die Putzer wieder anfangen könnten, doch sie waren auf anderer Baustellen gebunden. Wenigstens rückten im Februar die Zimmerleute erneut an. „Sie konnten zwar auch nicht lange bleiben, haben aber die Holzsanierung im Erdgeschoss des Turms in guter Qualität abgeschlossen“, resümiert Ingrid Riedel.

So weit, so gut! Aber nun klemmt die Säge. Denn die nächsten Arbeiten wurden auf Mai verschoben. Das wäre kein Beinbruch, wenn da nicht Terminzwänge bei der Finanzierung wären. „Wir haben das Problem, dass die Fördermittel, mit denen die Arbeiten bezahlt werden, bis Ende Mai abgerufen werden müssen“, sagt die Vereinsvorsitzende. Schaffen die Handwerker das?

Die Putzfirma klagt über Personalengpässe, will dennoch ab 17. April weitermachen. Auch wenn die Putzarbeiten im Erdgeschoss und in der ersten Etage abgeschlossen sind, darüber sind noch drei weitere Turmetagen zu bearbeiten. „Wir setzen jetzt darauf, dass unsere freiwilligen Helfer einspringen, um die Einrichtung der Baustelle zu unterstützen, damit die Putzer Zeit für die eigentlichen Arbeiten gewinnen“, hofft Ingrid Riedel. Klappt alles, könnten die Putzarbeiten bis Anfang Mai abgeschlossen werden. Dann könnten auch die Zimmerleute ihren Job bis Ende Mai erledigt haben. „Aber das wird für uns eine große Herausforderung an die Organisation sein“, stellt Ingrid Riedel fest. Sie spricht von einem schwierigen Akt, zumal zum Schutz vor Dreck und Staub das Innere der Kirche abgedeckt werden muss. Aber immerhin, die Chance besteht, die Innensanierung des Turms in diesem Frühjahr abschließen zu können.

Blick in das bereits sanierte Innere der Kirche.

Die Außensanierung dagegen wird aller Wahrscheinlichkeit erst im nächsten Jahr erfolgen können. „Wir haben zwar bereits bewilligte Fördermittel aus der Denkmalpflege, aber die reichen nicht aus“, erklärt die Vereinsvorsitzende. Gebraucht wird ebenso Geld aus dem europäischen Förderprogramm für den ländlichen Raum. Und bei LEADER, wie das Programm abgekürzt heißt, beginnt gerade jetzt die neue Förderperiode für die Jahre 2023 bis 2027. Aus Erfahrung von mehr als zehn Jahren Kirchensanierung weiß Ingrid Riedel, dass eine neue Förderperiode auch immer mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden ist, zumal die gewöhnlich im März liegende Antragszeit auf voraussichtlich Juli verschoben wurde. „Das würde bedeuten, dass die Arbeiten frühestens im September oder Oktober beginnen und damit vor dem Winter nicht abgeschlossen werden könnten“, sagt sie. Dann wäre es nötig, zweimal die Gerüste aufzubauen oder sie über den Winter stehen zu lassen, was in beiden Fällen unnötige Kosten verursachen würde. Ohnehin sind die Preise für die verschiedenen Bauarbeiten gegenüber 2021 um 30 bis 50 Prozent gestiegen.

Also wäre ein Beginn der Außensanierung im Frühjahr 2024 sinnvoll. Allerdings müssten dafür die bewilligten Denkmalpflegemittel von 2023 auf 2024 verschoben werden. „Ich hoffe, dass wir das verhandeln können“, sagt Ingrid Riedel.    

950 Jahre und ein Schritt zurück

Carsten Iwan bei seinem Vortrag im gut besuchten Saal des Kitzener Kulturhauses.

In diesem Jahr feiert Kitzen den 950. Jahrestag seiner urkundlichen Ersterwähnung. Pegauer Mönche haben aufgeschrieben, dass Wiprecht von Groitzsch (1050 bis 1124), der um 1070 aus der Altmark in die hiesige Gegend kam, 1073 mit den Adligen der Umgebung in verschiedene Händel verwickelt war. Unter ihnen wird Fridericus de Cutze erwähnt, der erste bekannte Gutsbesitzer von Kitzen. Wiprecht soll ihn 1073 in Zeitz getötet haben.

So weit, so gut. Aber wie alt ist Kitzen wirklich? Die Frage konnte auch Hobbyhistoriker Carsten Iwan in seinem Vortrag am 26. März 2023, der den Auftakt für die Kultursonntage des Jahrgangs 2023 des Fördervereins der Kirche Sank Nikolai bildete, im gut besuchten Saal des Kitzener Kulturhauses nicht präzise beantworten. Was jedoch weder den Vortragenden noch seine Zuhörer verwunderte. Auch wenn Iwan seinen Ausführungen den Titel gab: „950 Jahre Kitzen – Wie alles begann“; die Datenlage für jene Zeit ist eben dürftig. Aber die zugänglichen Quellen lassen laut ihm den Schluss zu, dass eine Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Kitzens womöglich schon 500 Jahre früher bestanden haben könnte. Denn die Sorben haben die Gegend bereits um das Jahr 500 besiedelt. Auf deren Aktivitäten geht der Bau einer Fluchtburg zurück, die nach der derzeitigen Annahme auf dem Areal des heutigen Gutsparkes gestanden haben soll.

Lage der Fluchtburg auf dem Gebiet des heutigen Gutsparkes.

Wann genau sich dies zugetragen hat, ist aber ungewiss, weil eben Aufzeichnungen fehlen und es lediglich aufgrund archäologischer Funde klar ist, dass Sorben in der Gegend gesiedelt haben. Einen Hinweis auf das heutige Kitzen gibt es dabei bislang nicht. Lediglich ist man sich unter Historikern einig, dass der Name auf einen sorbischen Begriff zurückgeht, der laut Iwan so viel wie geschützte Burg bedeutet haben soll.

Bekannt sei zudem, dass um das Jahr 950 sächsisch-fränkische Adlige auf Geheiß Ottos I. in unsere hiesige Gegend kamen. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass zu dieser Zeit eine Siedlung entstanden ist. Aber, so räumt Carsten Iwan ein, es bleibt vieles Kaffeesatzleserei für die Zeit vor 1073. Also begnügen wir uns mit 950 Jahren. Das ist ja auch schon eine richtig lange Zeit.

Erfolgreiche Auktion, online geht es weiter

Die Versteigerung von Gemälden von Karl-Heinz Georgi sowie Holzschnitten von Jiang Bian-Harbort und Sebastian Harbort zugunsten der Sanierung des Turms der Kirche Sankt Nikolai Kitzen war am Sonntag, 22. September 2022, sehr erfolgreich. 810 Euro wurden dabei erlöst. 90 Euro gab es zudem als Spende von Theo Rosenfeld, dem Geschäftsführer des Rosenfeld-Verlages in Weimar, der die Bücher von Gernot Maria Grohs verlegt. Grohs hatte beim Konzert des Pianisten Ulrich Urban an dem Tag aus seinem Lyrikband „Wanderers Gedanken“ und der Novelle „45 Jahre und eine Nacht“ gelesen. Rosenfeld verkaufte anschließend einige Bücher an Interessenten aus dem Publikum. „Weil mich das, was der Verein bei der Sanierung der Kirche geschafft hat, sehr beeindruckt, soll der Erlös aus dem heutigen Buchverkauf der Turmsanierung zugutekommen“, sagte der Verleger, der selbst Gast der Veranstaltung war.  

Da einige Bilder bei der Versteigerung keine Käuferin beziehungsweise keinen Käufer gefunden haben, erklärten sich die Künstler bereit, diese Bilder weiter anzubieten. Sie können jetzt online ersteigert werden. Der Erlös wird für die Kirchturmsanierung eingesetzt.

Interessenten können bei E-Mail steigern. Die Auktion läuft bis zum 30. November 2022, 12 Uhr. Fotos der Kunstwerke sind mit den Mindestgeboten weiter unten zu sehen. Wer mitsteigern will, sendet eine E-Mail mit seinem Gebot an birgerzentner@birgerzentner.de . Bitte in der Mail das Gebot angeben und den Bildtitel, dazu Name, Adresse und eine Telefonnummer. Den Zuschlag bekommt das höchste Gebot. Bei gleichen Höchstgeboten bekommt der erste Einsender des höchsten Gebots den Zuschlag. Der Rechtsweg wird ausdrücklich ausgeschlossen.   

Und das sind die Bilder, die ersteigert werden können:

„Miss America“ – Jiang Bian-Harbort, Mindestgebot 80 Euro

„Wasserfall“ – Karl-Heinz Georgi, Mindestgebot 100 Euro
„Tulpen“ – Karl-Heinz Georgi. Mindestgebot 120 Euro
„Stillleben“ – Karl-Heinz Georgi, Mindestgebot 120 Euro

Erlesenes und Gelesenes

Ulrich Urban

Sucht man nach Fotos von Gernot Maria Grohs im Internet, dann landet man schnell bei einem Mann mit Violoncello und Bogen in der Hand. Kein Wunder, ist sein Hauptberuf doch Direktor des Zweckverbandes Musikschule „Johann Nepomuk Hummel“ in Weimar. Aber so ganz nebenbei macht er sich auch einen Namen als Literat und hat dies in Form von sieben Büchern und diversen Lyrikbeiträgen nachgewiesen. Außerdem fährt er gerne Fahrrad. Der Zusammenhang wird gleich deutlich.

Gernot Maria Grohs

Den gebürtigen Leipziger führte im vorigen Jahr eine Radtour auf den Spuren des Dichters und Kämpfers der Befreiungskriege 1813 Theodor Körner auch bis zum Körnerdenkmal im Kitzener Park. Ein zufälliges Zusammentreffen mit dem Kitzener Carsten Iwan vermittelte ihm Kontakt zu Ingrid Riedel, der Vorsitzenden des Fördervereins der Kirche Sankt Nikolai. Im daraus resultierenden Gespräch nahm eine Idee Gestalt an: Grohs kommt zwar nicht mit dem Cello nach Kitzen, aber mit Büchern, wird daraus lesen. Und damit das nicht ohne musikalischen Genuss bleibt, schlug er vor, beim mit ihm befreundeten Leipziger Pianisten Ulrich Urban nachzufragen, ob der nicht in die Tasten greifen könnte. Kein Problem für Urban eben aufgrund der Freundschaft, aber auch, weil seine Frau und Ingrid Riedel einst in Altenburg Schulfreundinnen waren.

Das Ergebnis jener Radtour war nun am 25. September 2022 zu erleben. Während Grohs aus seinem Lyrikband „Wanderers Gedanken“ sowie aus der Novelle „45 Jahre und eine Nacht“ gelesen hat und durchs Programm führte, spielte Urban auf einem Flügel der Eisenberger Firma Wilhelm Steinberg Erlesenes aus dem Notenerbe von Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert. Mit der Leichtigkeit des ersten Satzes aus der Mozartschen Klaviersonate Nr. 10 KV 330 zu Beginn und des letzten Satzes zum Abschluss setzte er sozusagen ein musikalische Kontrastprogramm zur Schwermut des Adagio und des Allegro aus der C-Moll-Sonate von Schubert. Dazwischen gab Urban beim Spiel von zwei Kompositionen aus der Feder von Grohs den Fingerzeig auf das musikalische Können des Mannes, der an diesem Tag eben mal nur am Lesepult stand.

Urbans Spiel hielt, was seine Vita versprochen hat. Denn der Leipziger gehört seit Jahrzehnten zu den gefragtesten Pianisten in Deutschland und hat in Europa und auf anderen Kontinenten einen exzellenten Ruf. Die Besucher am Sonntag dankten es ihm mit begeistertem Applaus. Und dass das gelesene Wort von Grohs ebenso ankam, zeigte sich im abschließenden Kaufinteresse des Publikums an seinen Büchern.

Apropos Grohs: Ingrid Riedel lud ihn ein, vielleicht im nächsten Jahr für ein Konzert sein Cello mit nach Kitzen zu bringen. Zugesagt hat er noch nicht, aber auch nicht abgelehnt. Nun, lassen wir uns einfach mal überraschen.